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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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an einem Hangar vorbei, in dem eine waschechte Boeing stand und offensichtlich gerade überholt wurde.
    »Wo sind wir jetzt eigentlich?«, fiel es Markus zu fragen ein.
    »In den Blue Mountains«, erwiderte Amy-Lee.
    »Ah«, machte Markus. Das sagte ihm nun überhaupt nichts.
    Die Maschine kam zum Stillstand. Der Pilot kam aus dem Cockpit nach hinten, ein undurchdringlich-asiatisches Lächeln auf dem Gesicht. Ob er wohl wusste, was sie getrieben hatten?
    Und ein weiterer, unangenehmer Gedanke: Ob Amy-Lee sich diesen Kick schon öfter geholt hatte, mit anderen? Markus drängte diese Vorstellung beiseite. Darüber würde er jetzt nicht nachdenken.
    Xiao öffnete die Tür, ließ die kleine eingebaute Treppe zum Boden hinab und arretierte das Geländer. Frische, kühle Luft drang herein.
    »Es ist wärmer, als ich erwartet hätte«, sagte Amy-Lee zu Xiao.
    Der Pilot nickte. »Ja. Es heißt, es sei der wärmste April seit hundert Jahren.«
    »Die Klimaerwärmung«, hörte sich Markus sagen, automatisch beinahe. Dann trat er an die Tür, sah das unglaubliche Panorama und vergaß alles, was ihm noch zu diesem Thema an schlauem, angelesenem Zeug auf der Zunge gelegen hatte. In der Ferne erhoben sich majestätische, eisbedeckte Berge, eine ganze Kette davon. Ringsum erstreckten sich sanfte, ergrünende Hänge, ein kristallklarer, tiefblauer Himmel spannte sich darüber, überzogen von getupften weißen Schlieren und erfüllt von unwirklichem Licht.
    »Ich träume, oder?«, murmelte Markus. »Ich weiß, dass ich träume. So etwas nennt man einen luziden Traum. Dass mich jetzt bloß keiner weckt …«
    Ein großer, geländegängig wirkender Wagen kam angefahren. Zwei Männer stiegen aus und widmeten sich der verantwortungsvollen Aufgabe, ihre beiden kleinen Reisetaschen aus dem Jet in den Kofferraum umzuladen und ihnen anschließend die blecherne Tür zum Rücksitz aufzuhalten.
    »Und, wie weit ist es noch bis zum Anwesen deines Vaters?«, fragte Markus, als der Wagen losfuhr.
    Amy-Lee sah ihn unergründlich an. »Das hier ist das Anwesen meines Vaters.«
    »Bitte?«
    Sie machte eine knappe, kreisförmige Geste. »Alles, was du siehst. Mit Ausnahme der Gipfel.«
    Dazu fiel ihm keine Erwiderung ein. Alles, was er sah? Er sah eine Menge. Sie fuhren zwischen Viehweiden dahin, auf denen enorme Herden wolliger Rindviecher grasten, vorbei an Hütten mit Heu, Bächen, Seen. Eine Ansammlung von Häusern, fast ein kleines Dorf, kam immer näher und entpuppte sich als der Ort, auf den sie zufuhren. Mitten darin tauchte das gigantischste Wohnhaus auf, das Markus je gesehen hatte, alle Fernsehsendungen und Reportagen in Zeitschriften eingeschlossen. Rowes Anwesen auf den Hamptons wirkte gegen das da wie eine Bruchbude.
    An die fünfzehn Dienstboten standen Spalier, als der Wagen in der Auffahrt hielt; manche von ihnen schienen in der kühlen Luft zu bibbern. Da waren Zimmermädchen, die tatsächlich die Art Kleidung trugen, die Markus nur aus alten Filmen kannte. Diener in Livree standen da sowie ein distinguierter Mensch im Anzug, der aussah wie ein Butler und bestimmt auch einer war. Als Amy-Lee und Markus ausstiegen, wurden sie im Chor begrüßt, dann umringt – Amy-Lee schüttelte Hände, kannte offenbar alle mit Namen – und ins Haus geleitet, in die Halle, wo ihnen mit ausgestreckten Armen ein Mann in einem kaffeebraunen Anzug entgegenkam: Amy-Lees Vater.
    Hung Wang war noch etwas kleiner als Markus und bot den irritierenden Anblick eines breiten, durch und durch amerikanischen Lächelns unter listig zusammengekniffenen chinesischen Schlitzaugen. Sein Haut wirkte wie teures Leder, und er strahlte fühlbare Energie und Tatkraft aus, Machtwillen. Es konnte keinen Zweifel daran geben, dass er das Kraftzentrum dieses Tals war.
    »Sie sind also Mark?«, sagte er, nachdem er seine Tochter kurz umarmt und geküsst hatte. Er gab Markus die Hand und musterte ihn mit einer Intensität, die beunruhigte. Sein Händedruck war warm und normal, weder übertrieben stark noch weich. Trotzdem wurde Markus das Gefühl nicht los, dass Wang im Stande gewesen wäre, ihn im nächsten Augenblick über die Schulter zu schleudern, wenn er gewollt hätte. »Willkommen.«
    Man hielt auf Sitte und Anstand im Hause Wang. Markus bekam ein eigenes Gästezimmer, weit entfernt vom Zimmer Amy-Lees, in einem anderen Trakt des Gebäudes sogar, wenn er das richtig mitbekommen hatte. Er war gerade damit beschäftigt, seine Tasche auszupacken, als sie zu ihm

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