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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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»Aus dem Fenster! Schau aus dem Fenster!« Sie packte seinen Kopf, drückte ihn nach oben, sodass sein Blick aus einem der Bullaugen am Bett fiel, hinaus auf ein unendlich großes Land, auf gleißende Wolken, auf Licht von unwirklicher Intensität.
    Auf eine Welt, die ihm gehörte. Er kam, durchzuckt von dem Gedanken, der wie ein triumphierender Schrei war: Jetzt! Jetzt habe ich es geschafft!
    Gegenwart
    I m Bademantel schlenderte Markus durch das Foyer des Krankenhauses und an der Pförtnerloge vorbei nach draußen. Der Pförtner sah kaum auf. Er hatte einen kleinen Schwarzweißfernseher vor sich stehen, auf dem er irgendeine Vorabendserie verfolgte.
    Draußen dunkelte es schon, und die Luft, die Markus entgegenschlug, war frostig. Seit einer guten Woche machte er das: abends, wenn die offiziellen Besuchszeiten vorbei waren und wieder Ruhe einkehrte, noch einmal durch den Krankenhauspark zu spazieren.
    Heute nahm er den Weg, der unter seinem Zimmer vorbei führte. Direkt unter seinem Fenster, vor dem Gebüsch, das die Räume im Erdgeschoss verdunkelte – es waren nur Lagerräume –, blieb er stehen. Er sah auf die Uhr. Er war im Zeitplan.
    Sah jemand her? Nein, weit und breit kein Mensch. Markus bückte sich und holte die Reisetasche hervor, die er vorhin von oben in den Busch hatte fallen lassen. Alles wie geplant. Jetzt nur die Ruhe bewahren.
    Ein paar Meter weiter war eine Sitzecke, im Sommer sicher eine kuschelige Laube. Jetzt im Herbst war hier niemand, aber es gab eine Ziegelmauer, die vor Blicken schützte. Markus entledigte sich seines Bademantels, unter dem er – was der Pförtner nicht hatte sehen können – Straßenkleidung trug, und stopfte ihn hinter eine der Sitzbänke. Er hatte das graugrüne Ding ohnehin nie leiden können.
    Es war halb sieben, als er an der verabredeten Stelle ankam. Das Taxi wartete schon; der Fahrer schien erleichtert, dass tatsächlich jemand auftauchte. Er trug einen Schnauzbart, der ihm ein geradezu anatolisches Aussehen gab, fragte aber in original weichem Hessisch: »Und, wohin soll’s gehe?«
    »Zur S-Bahn«, sagte Markus.
    »Alles klar.«
    Das war er jetzt wohl, dachte Dorothea, der kalte Nordwestwind, von dem immer die Rede gewesen war. Immer wieder rannte er gegen das Haus an, und das war jedes Mal, als hiebe ein Titan einen riesenhaften Hafersack gegen die Wände. In allen Fenstern und Schornsteinen pfiff und heulte der Wind, schien es zu bedauern, das Haus nicht einfach vom Berg fegen zu können.
    Und ausgerechnet jetzt war es nötig, die Heizung so weit wie nur irgend möglich runterzudrehen. Vielleicht kamen sie auf die Weise mit dem restlichen Öl hin, bis die Krise vorbei war und die Preise für Heizöl wieder auf ein menschliches Maß sanken. Die Heizung der Schwimmhalle und des Pools hatten sie abgestellt; das Wasser sah schon ganz merkwürdig aus, so, als würde es demnächst gefrieren. Julian und seine Freunde trugen den Verlust mit Fassung; mit der für Kinder typischen Kreativität hatten sie den alten Gewölbekeller als neuen Spielplatz entdeckt. Soweit Dorothea das mitbekommen hatte, spielten sie darin »Schmugglerbande«, womöglich angeregt durch ein Buch, das sie Julian zum Geburtstag geschenkt hatte.
    Aber wie kalt es gleich wurde, wenn man den Verbrauch nur ein bisschen zu drosseln versuchte! Dorothea trug schon ihre dicksten Pullover und fror trotzdem den ganzen Tag; wie sollte das werden, wenn erst der richtige Winter kam? Die Vormittage im Laden waren zur Zeit ihre Rettung. Das alte Haus lag geschützt, und der kleine Kohleofen, der aussah wie ein Museumsstück, reichte tatsächlich aus, um im ganzen Verkaufsraum für angenehme Temperaturen zu sorgen. Hier konnte sie sich genug aufwärmen, um für den kalten Rest des Tages oben in ihrem eigenen Haus gewappnet zu sein.
    Leider war das so ziemlich der einzige vorteilhafte Aspekt ihres Unternehmens. Wenn sie, so wie jetzt, am Küchentisch saß, das Heft vor sich, in dem sie die Buchhaltung des Ladens führte, war es schwer, sich gegen das Gefühl zu wehren, eine riesengroße Dummheit begangen zu haben.
    Der Laden lief schlecht. Und selbst wenn man es so direkt sagte, war es noch geschmeichelt. Schon am Montag, am Tag der Eröffnung, waren nur eine Hand voll Leute gekommen, um mal zu schauen und sich das Paket Nudeln abzuholen – 125 Gramm Spätzle mit extra viel Eiern –, für das ein Gutschein auf jedem Flugblatt gedruckt gewesen war. Am Dienstag kam eine einzige Frau, die sechs Eier kaufte:

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