Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
hereinschlüpfte. Sie wirkte dabei, als tue sie etwas Verbotenes und wisse es. Mit einer Besorgnis, die Markus geradezu rührend anmutete, sagte sie: »Du musst eines verstehen, Mark. Ich bin nicht nur Amerikanerin. Ich trage auch ein chinesisches Erbe in mir, und dazu gehört, dass ich nicht ohne den Segen meines Vaters heiraten kann. Es geht nicht, verstehst du? Ich könnte nie … durchbrennen oder so etwas. Ich hätte nie das Gefühl, dass das, das danach käme, gültig wäre.«
Markus musste schmunzeln. »Ich habe nicht den Eindruck, dass es nötig sein wird, durchzubrennen. Dein Vater scheint nichts gegen mich zu haben. Auf den ersten Blick zumindest.«
Amy-Lee nickte, wirkte gedankenverloren, so, als habe sie kaum gehört, was er gesagt hatte. »Ja. Ich wollte auch nur …« Sie trat vor ihn hin, sah ihm forschend in die Augen. »Mark – wenn mein Vater dich um etwas bitten sollte, dann gib es ihm. Bitte.«
Markus sah sie an. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie damit meinte. Wahrscheinlich ein altes Problem in der Beziehung zwischen ihr und ihrem Vater. »Klar«, sagte er. »Mach ich.«
»Gut.« Sie küsste ihn auf die Wange und verschwand so heimlich tuend, wie sie gekommen war.
Und wie immer die Spielregeln lauteten, sie hinderten Amy-Lee nicht daran, spät in der Nacht wieder zu ihm zu kommen.
Sie verbrachten wundervolle Tage. In einem Seitenflügel des Hauses gab es ein großes Schwimmbad, hundertfünfzig Fuß lang und mit einem Drei-Meter-Sprungturm ausgestattet, wo man morgens ein paar Bahnen ziehen konnte, um sich danach frisch geduscht an den Frühstückstisch zu setzen. In einem von dichtem Garten umgebenen Anbau bot ein großer Whirlpool Entspannung, im Untergeschoss standen außerdem eine Sauna und ein Kraftraum zur Verfügung.
Unter Anleitung einer sich vor Lachen biegenden Amy-Lee musste Markus seine ersten Reitversuche unternehmen. Es ging besser, als er befürchtet hatte; er bekam ein ausgesprochen friedliches Tier, das über seine Unbeholfenheit gutwillig hinwegsah, und so ritten Amy-Lee und er bald gemeinsam über die Wiesen rings um das Anwesen. Die Luft war frisch und würzig, roch nach Wald und kommenden warmen Tagen.
Für jede Mahlzeit des Tages gab es einen anderen Speiseraum. Das Frühstück wurde in einem modern und farbenfroh ausgestatteten Wintergarten aufgedeckt, das Mittagessen bekamen sie in einem hellen, in Weiß und Blau gehaltenen kleinen Speisesaal serviert, und abends schließlich aßen sie gemeinsam mit Amy-Lees Vater und ab und an einem weiteren – geschäftlichen – Gast in einem üppig dekorierten Raum voller Gold und Antiquitäten. Auf seinen Streifzügen durch das Gebäude entdeckte Markus außerdem einen großen Speisesaal mit einem wenigstens zwanzig Meter langen Tisch, der vermutlich großen Feierlichkeiten mit vielen Gästen vorbehalten war, ebenso wie der nebenan liegende Tanzsaal.
Hier, zuckte es Markus durch den Kopf, würden sie ihre Hochzeit feiern.
Es war fast zu viel, um es zu fassen. Das Gebäude war ein als normales Haus getarntes Schloss, das Anwesen mitsamt den übrigen Besitzungen Wangs ein Königreich …
Und er, Markus Westermann, war der Kronprinz. Weil die Tochter des Königs ihn liebte.
Es war schwer, das zu denken und nicht ein Gefühl absoluter Unwirklichkeit zu bekommen. Markus hatte immer von sich geglaubt, ehrgeizig zu sein – aber das hier übertraf alles, was er je im Stande gewesen wäre sich zu wünschen oder auch nur vorzustellen.
Wang war tagsüber weitgehend unsichtbar. Er pflege sich, erzählte Amy-Lee, in seinem äußerst weiträumigen Arbeitszimmer aufzuhalten, wo ihm ein Videokonferenzsystem zur Verfügung stand, über das er seine Firmen managte. Außerdem blieb Markus nicht verborgen, dass ständig Leute kamen und gingen. Manche von ihnen wirkten wie Kuriere, andere wie Direktoren. Auf alle Fälle schienen der Flugplatz und Wangs Flotte gut ausgelastet zu sein.
Doch nach einem Mittagessen, an dem Wang überraschend teilnahm, war es so weit: Der mögliche künftige Schwiegervater hatte beschlossen, dem möglichen künftigen Schwiegersohn auf den Zahn zu fühlen. Was er von einem kleinen Spaziergang anschließend hielte, fragte Wang wie beiläufig, während das Dessert abgetragen wurde, nur sie beide?
»Gern«, sagte Markus. Puh. Jetzt galt es.
Der Boden draußen war durchgeweicht und matschig. Markus hatte keine passenden Schuhe für diese Art Spaziergang dabei, aber das war kein Problem; es standen
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