Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
zu beweisen, dass er es mit ihnen aufnehmen konnte. Eine Borderline -Persönlichkeit von der Art, die bisweilen ein erstaunliches Charisma an den Tag legen kann. Und andere überzeugen kann, weil sie selbst felsenfest glaubt, was sie sagt.«
Markus starrte den hageren Mann an und hatte das Gefühl, dass seine Augäpfel jeden Augenblick anfangen würden zu brennen. Diese Hitze …
Da war noch etwas. Eine kleine Unstimmigkeit in dem so logisch aussehenden Bild. Er überlegte. Es fiel ihm schwer; er war müde, hungrig, am Ende seiner Kräfte. »Eine Sache verstehe ich noch nicht«, sagte er mühsam. »Die Explosion von Ras Tanura – die war doch erst später. Da war ich längst wieder in Deutschland. Wenn das Ghawar-Feld schon vor meiner Abreise aus Saudi-Arabien kollabiert sein soll – wie hat man dann die Zeit dazwischen überbrückt? Ich meine, da müssen die Saudis doch auch jeden Tag Öl verschifft haben.«
Taggard nickte langsam. »Ach so. Das wissen Sie noch gar nicht.«
»Was weiß ich noch gar nicht?«
»Wann haben Sie das letzte Mal getankt?«
Markus kniff die Augen zusammen, versuchte sich zu erinnern. »Heute Mittag, glaube ich. Noch in Wyoming.«
»Ganz schöne Strecke.«
»Mein Tank dürfte praktisch leer sein.«
»Schlecht. Haben Sie keine Schlangen an den Tankstellen bemerkt?«
»Doch«, gestand Markus, während ihn ein zunehmend mulmiges Gefühl beschlich. »Wieso?«
»Das Öl, das die Saudis verschifft haben, stammte nicht mehr aus dem Ghawar-Feld, sondern aus den Vorratstanks.« Taggard stand auf, schaltete den Fernseher ein und spulte den Videorekorder ein Stück zurück. »Das kam vor, na, gut drei Stunden auf CN N . Da dürften Sie gerade auf Boise zugerollt sein.«
Es war eine Liveübertragung des Vormarsches auf Ras Tanura. In Saudi-Arabien war es kurz nach Mitternacht. Ein fast voller Mond, Scheinwerfer und Leuchtkugeln erhellten die Nacht, ab und zu sah man das diffuse Grünbild eines Nachtsichtgeräts. Als die schier endlosen Reihen gigantischer Tanks ins Bild kamen, entfuhr dem Sprecher der knappe Kommentar: »Hier sehen wir die Beute.«
Es kam nicht zu Schießereien. Der Kommandant der saudischen Streitkräfte war klug genug, seinen Leuten den Rückzug zu befehlen. Die US -Truppen konnten problemlos vorrücken und die Tankanlagen einnehmen.
Der auf dem vordersten Panzer stationierte Kameramann Glenn Freeman Schwartz fing die Bilder ein, die Geschichte machen sollten.
»Nun die symbolische Handlung, die in solchen Fällen obligatorisch ist«, kommentierte er, während er die Kamera auf einen Soldaten im Kampfanzug der Army gerichtet hielt, der, ein Sternenbanner schwenkend, die Leiter an einem der Öltanks emporkletterte.
Es handelte sich, wie später bekannt wurde, um Sergeant Rusty Shelton von der 3 . Infanteriedivision, 31 Jahre alt, verheiratet und Vater einer zweijährigen Tochter. Er würde einige Tage danach in einem Interview erzählen, dass es anstrengender gewesen sei als gedacht, diese endlos lange Stahlleiter hinaufzuklettern, weil die Tanks größer seien, als sie aussähen; gigantisch geradezu.
Endlich hatte er das leicht kuppelförmige Dach erreicht und marschierte unter dem frenetischen Jubel der Truppe auf dessen Scheitelpunkt zu. Hubschrauber tauchten über ihm auf und beleuchteten seinen Weg mit einem starken Scheinwerfer. Über das Head-Set, das er trug, hörten ihn Millionen Fernsehzuschauer schwer atmen. Die Fahne flatterte im Wind. Er öffnete das zentrale Wartungsluk mit der freien Hand, klappte den Deckel hoch und leuchtete mit einer Stablampe hinein. Minutenlang.
Dann wandte er sich um und rief voller Erstaunen: »It’s all empty!« Dabei sank ihm das Sternenbanner ebenso unwillkürlich wie symbolträchtig aus den Händen.
Es war das perfekte Bild.
TEIL ZWEI
Kapitel 36
W enn man, von Oldenburg kommend, auf der Autobahn A 29 nach Wilhelmshaven-Rüstringen fährt, gelangt man über die Ausfahrt Coldewei zu einer der vier Kavernenanlagen der Nord-West Kavernengesellschaft, die hier rund 450 000 Tonnen Rohöl in einem Salzstock in etwa tausend Meter Tiefe lagert. Sie tut dies im Auftrag des Erdölbevorratungsverbandes, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die in einem prachtvollen Gebäude am Hamburger Jungfernstieg untergebracht ist und dafür zu sorgen hat, dass, wie es das Erdölbevorratungsgesetz vorschreibt, stets Reserven an Motorenbenzin, Mitteldestillaten und schwerem Heizöl für mindestens neunzig Tage vorrätig sind. Diese
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