Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Vorräte belaufen sich für die Bundesrepublik Deutschland auf etwas mehr als 23 Millionen Tonnen, die über das Bundesgebiet verteilt gelagert werden, wobei aus technischen Gründen ungefähr die Hälfte dieser Menge in den Kavernen von Wilhelmshaven-Rüstringen, Bremen-Lesum, Heide und Sottorf bei Hamburg untergebracht ist. Alle Ölfirmen sind verpflichtet, sich an diesem System zu beteiligen, das über eine Zwangsabgabe von etwa 0 , 005 Cent je Liter finanziert wird.
Man sieht nicht viel von dieser Anlage. Von weitem sieht sie aus wie eine große Scheune, von nahem fallen Rohre, Füllstutzen, Manometer, Schieberegler und Verteiler auf, oft von Unkraut überwuchert, was der angestrebten Unauffälligkeit dienlich ist.
Das Gelände ist von einem massiven Stahlzaun umgeben, nachts patrouillieren Wachleute mit Hunden. In der Nacht, als die amerikanischen Streitkräfte Ras Tanura einnahmen, war Karl Petersen einer davon. Er ging auf die fünfzig zu, von der blonden Haarpracht seiner Jugend war wenig übrig geblieben, dafür verlor der Bauch an Form, und mit der Verdauung funktionierte auch nicht mehr alles so, wie es sollte. Aber seine Muskeln, auf diese Feststellung legte er Wert, waren jederzeit in Topform.
Er saß im Wachbüro und verfolgte, was der kleine Fernseher auf dem Schreibtisch zeigte. Immer noch die Sache in Saudi-Arabien. Dem Kommentator fiel inzwischen nichts mehr ein; wenn er nicht Sachen wiederholte, die er zehn Minuten zuvor schon einmal gesagt hatte, beschrieb er einfach, was man sowieso sah. Und das war langweilig genug und seit über einer Stunde immer das Gleiche: ein Tanklager eben.
Draußen waren die Hunde zu hören, dann ging die Tür auf. Sein Kollege Heiner Steffens, der von der Ein-Uhr-Runde zurückkam. Heiner war zehn Jahre jünger, hatte das Gesicht voller Narben und liebte es, sich in geheimnisvollen Andeutungen über sein bewegtes Vorleben zu ergehen. Das zweifellos nicht so abenteuerlich gewesen sein konnte, wie es klang, sonst hätte er den Job hier nicht bekommen.
»Und?«, fragte er.
Petersen zuckte mit den Schultern. »Sie sind immer noch dabei. Aber wie es aussieht, sind alle Tanks leer bis auf den Grund.«
»Mann«, sagte Heiner. »Das gibt Ärger.«
Der Ärger ließ nicht lange auf sich warten. Auf einmal bellten die Hunde wie verrückt. Ein dumpfes Brummen wurde lauter, von dem Petersen in dem Moment, in dem er es wahrnahm, wusste, dass es schon eine ganze Weile da gewesen war. Scheinwerferlicht zuckte durch den Raum, ließ die Wanduhr, den Kalender und das Notfalltelefon aufleuchten. Dann stand unvermittelt ein mächtiger grüner Panzerwagen vor dem Fenster, und Karl Petersen las die Aufschrift Bundesgrenzschutz .
»Die polizeiliche Sicherung der Anlagen, die zur strategischen Mineralölreserve gehören, ist nur eine vorbeugende Maßnahme«, erklärte der Pressesprecher der Bundesregierung und lächelte gelassen. »Um Panikreaktionen zu unterbinden. Zu denen, wie ich an dieser Stelle hinzufügen möchte, kein Anlass besteht.«
Kein Grund zur Panik , notierten die Unerfahreneren unter den anwesenden Journalisten. Die alten Hasen kauten an ihren Kugelschreibern und fragten sich, wie schlimm es wirklich stehen mochte, wenn der Pressesprecher das so ausdrücklich betonte.
»Zu Ihrer Information«, fuhr der Mann fort, den ein Boulevardblatt unlängst als einen der zehn bestangezogenen Männer Deutschlands bezeichnet hatte, »einige statistische Angaben. In Deutschland spielt Öl bei der Stromerzeugung praktisch keine Rolle; der Anteil liegt bei weniger als einem Drittel Prozent. Hauptenergieträger ist nach wie vor Stein- und Braunkohle, zum Teil auch noch Atomenergie, ferner Gas, Wasser und Sonstiges, Windenergie zum Beispiel.«
Ein Reporter, der in der ersten Reihe saß und offenbar zu denjenigen gehörte, auf deren Zwischenrufe der Pressesprecher hörte, machte darauf aufmerksam, dass es nicht nur um die Erzeugung von Strom gehe. Viel kritischer sei die Situation für den Bereich Transport und Verkehr; außerdem stehe der Winter unmittelbar bevor: Wie würde die deutsche Bevölkerung in den nächsten Monaten heizen?
»Hier ist es so«, erklärte der Pressesprecher, »dass Deutschland bisher ohnehin nur in geringem Umfang Öl aus Saudi-Arabien bezogen hat. Der größte Teil des Öls, das hier zu Lande verbraucht wird, stammt aus der Nordsee sowie aus Russland respektive den GUS -Staaten. Soweit wir Öl vom Persischen Golf beziehen, kommt es aus Kuwait.«
Ob man von
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