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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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ökonomischer Zusammenhänge gesegnet. Natürlich sind alle Börsen schon seit jeher staatlicher Kontrolle unterworfen; es ist beschämend, dass er das nicht weiß. Aber Preise per Verordnung festzusetzen – nun, das ist Planwirtschaft, und wir wissen ja, wohin die führt.«
    »Aber können Börsen nicht überreagieren?«
    »Das kommt darauf an, wen Sie fragen. Man kann sich mit einigem Recht auf den Standpunkt stellen, dass der an einer Börse ausgehandelte Preis immer der richtige ist.« Er hatte schmale, gepflegte Hände, die er beim Sprechen sanft bewegte. »Sehen Sie, wenn ein Gut knapp ist, nützt es niemandem etwas, wenn ein niedriger Preis dafür vorgeschrieben wird. Davon entsteht auch keine ausreichende Menge.«
    »Aber durch hohe Preise auch nicht.«
    »Natürlich nicht, aber sie sorgen dafür, dass derjenige das knappe Gut erhält, dem es am meisten wert ist.«
    »Oder der es sich leisten kann«, wandte die Moderatorin ein.
    Ihr Gast nickte widerstrebend. »Tatsächlich haben wir die Situation, dass sich zum ersten Mal, seit man Öl fördert, ein wirklicher Marktpreis dafür bildet. In den frühen Jahren der Ölwirtschaft hat John D. Rockefellers Standard Oil Corporation als Monopolist agiert und die Preise nach Gutdünken festgesetzt – nämlich so hoch wie möglich. Dieses Monopol hat man Anfang des 20 . Jahrhunderts mehr oder minder erfolgreich zerschlagen, doch den daraus hervorgegangenen Teilfirmen ist oft und vermutlich bisweilen nicht zu Unrecht vorgeworfen worden, ein Kartell zu bilden. In den letzten Jahrzehnten waren es die Saudis, die durch Anpassung ihrer Ölförderung an den Bedarf de facto den Ölpreis festgesetzt haben. Das können sie nun nicht mehr. Und jemand anders, der es kann, existiert nicht. Alle anderen Ölproduzenten fördern schon seit Jahren so viel, wie ihre Felder nur hergeben. Mit anderen Worten: Im Augenblick gibt es auf dem Markt einfach eine bestimmte Menge Öl, und die, die es haben wollen, müssen sich darum balgen. Und auf einem Markt tut man das nicht mit Fäusten, sondern indem man mehr bietet als die anderen. Zum ersten Mal in seiner Geschichte wird der Preis von Erdöl tatsächlich von Angebot und Nachfrage bestimmt, und da das Angebot gerade niedriger ist als die Nachfrage, pendelt er sich auf einem sehr, sehr hohen Niveau ein.«
    »Müsste man dann nicht nach Wegen suchen, das Angebot zu steigern?«
    »Dafür bietet der hohe Preis naturgemäß einen starken Anreiz. Ja, zweifellos wird man das tun. Sie müssen aber bedenken, dass das nicht so einfach ist, wie es klingt. Ein Erdölvorkommen muss bei seiner Nutzung über Jahrzehnte hinweg behutsam entwickelt werden, um sein inneres Gleichgewicht aus Öl, Gas und Wasser nicht durcheinanderzubringen oder gar zu zerstören. Auch auf dem weiteren Weg gibt es jede Menge Engpässe. Der Durchmesser der Pipelines begrenzt den Ölfluss, die Lagerkapazitäten sind endlich, die Zahl der Schiffe, die den Suezkanal pro Tag passieren können, ebenfalls, und es mangelt auch an Raffineriekapazität.«
    Die Moderatorin zückte eine ihrer Stichwortkarten. »In den USA ist seit dreißig Jahren keine neue Raffinerie gebaut worden. Wieso? Der wachsende Bedarf war doch absehbar. Haben die Ölmultis die Ausgaben gescheut, weil man dort schon wusste, dass das Ende des Öls naht?«
    Dieser Einwurf brachte den Gelehrten sichtlich aus dem Konzept. »Also, natürlich lassen diese Konzerne sich ungern in die Karten schauen … Ich meine, so eine Raffinerie, die baut man nicht so eben mal, das ist ja eine enorme Investition …«
    »Steht das Ende des Öls bevor? Sind wir, was das anbelangt, auf dem absteigenden Ast?«
    Der Professor zögerte mit der Antwort. »Möglicherweise müssen wir künftig mit einer Reduzierung der Ölproduktion leben, ja.«
    »Reduzierung – was heißt das in Zahlen?«
    »Zwischen anderthalb und drei Prozent pro Jahr.«
    Das Interview lief über einen normalerweise wenig beachteten Kultursender mit marginalem Marktanteil. Trotzdem stand diese Aussage am nächsten Tag in allen Zeitungen.
    Es kam zu Stromausfällen, weil viele Leute angesichts der Heizölpreise anfingen, elektrisch zu heizen. Baumärkte hielten preiswerte fahrbare Elektroheizkörper in großen Mengen bereit und kamen kaum mit dem Abladen nach, so gut verkauften diese sich. Die Energieversorger verschickten mahnende Rundschreiben, das Stromnetz nicht zu überlasten. Als das keine Wirkung zeigte, beschlossen sie, die Haussicherungen auszutauschen, um die

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