Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
sie angeboten hatte, zufrieden waren.
»Ich weiß jetzt bloß nicht, ob das eigentlich legal ist so«, erklärte sie Werner beim Abendessen. Sündhaft teures Heizöl heizte den Wohnbereich, und die Aussicht über die kahle, frostige Winterlandschaft war wie immer großartig. »Oder ob es vielleicht Schwarzarbeit ist. Keine Ahnung. Ich hab beschlossen, ich stell mich dumm und denk einfach nicht weiter darüber nach.«
Werner nickte kauend. »Weiß ich auch nicht, so was. Blickt heutzutage kein Mensch mehr durch.«
Er wirkte, als höre er ihr nur mit halbem Ohr zu. Etwas beschäftigte ihn.
»Weißt du, wen ich heute getroffen habe? Margit!«
Dorothea musste überlegen. »Margit …?«
»Margit Müller. Die Frau von Siegmund. Der den Herzinfarkt in Dubai hatte. Also eigentlich seine Witwe.«
Jetzt fiel es Dorothea wieder ein. »Die mal da waren.« Das schien Ewigkeiten her zu sein. Als wäre es in einem anderen Leben gewesen. »Wie geht es ihr?«
»Gut. Wirklich unglaublich. Ich hätte sie fast nicht erkannt … Eigentlich hab ich sie auch nicht erkannt, sie hat mich erkannt. Sie sah gut aus, top modisch gekleidet, frisiert und so weiter. Sie hat erzählt, dass sie wieder arbeitet. Das Arbeitsamt hat ihr einen Kurs in Webdesign bezahlt, und jetzt halt dich fest: Die Website, über die ich meine Fahrgemeinschaft organisiert habe – die gehört ihr! Die hat sie aufgezogen, als das mit dem Peak Oil anfing, durchzusickern. Ihr Sohn hat ihr mit der Programmierung der Datenbank geholfen, den Rest hat sie selber gemacht. Und wie es klingt, verdient sie irre Geld damit. Allein mit der ganzen Werbung, die sie da draufhat. Außerdem hat sie einen Förderpreis des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums gewonnen, und als ich sie getroffen habe, kam sie gerade von einem Interview beim Rundfunk. Die haben da doch so eine Sendung, ›Leute‹ oder so, wo sie alle möglichen Persönlichkeiten jeweils zwei Stunden lang interviewen.« Werner klatschte begeistert in die Hände. »Das ist der Hammer, findest du nicht? Ich sag mir, auf die Idee hätte ich auch kommen können. Das Benzin wird teurer, Fahrgemeinschaften sind ein Weg, das auszugleichen, die Vermittlung per Internet eine praktikable Lösung – zack, und schon brummt der Laden. Und alles geht vollautomatisch! Schlau, einfach schlau. So muss man’s machen!«
Dorothea hatte mit einem Gefühl wachsender Verzweiflung zugehört. Zuerst hatte sie sich für die Frau gefreut und dass sie nach dem Verlust ihres Ehemanns einen neuen Weg für sich gefunden hatte, aber nun dachte sie an die Kisten mit Kohlrabi und Weißkohl, die sie täglich auf die Ständer wuchtete, um das Stück für achtzig Cent oder einen Euro zwanzig zu verkaufen, und hatte das Gefühl, in sich zusammenzusinken.
»Was ist denn?«, fragte Werner. Also sah man es.
»Ich stehe die halbe Woche im Laden, habe mittags Kreuzschmerzen und freue mich, wenn am Ende hundert Euro übrig bleiben«, sagte Dorothea dumpf, »und dann erzählst du mir, dass jemand ein paar Bits zusammenbastelt und damit das Zigfache verdient. Und berühmt wird. Und das findest du auch noch toll!« Sie stützte den Kopf auf die Hände. »Ich komme mir so doof vor. Wie die Liesl vom Lande.«
Ein paar Tage lang herrschte dicke Luft im Hause Utz. Dorothea war sauer und niedergeschlagen, Werner gab sich alle Mühe, sie aufzumuntern, versicherte ihr immer wieder, er habe es nicht so gemeint und dass es toll sei, wie sie den Laden hochbringe, von dem das keiner geglaubt hätte, die Experten schon gar nicht. Und dass sie immerhin ihr eigener Chef sei. Und Kontakte habe sie doch nun auch, was sie ja eigentlich gewollt habe.
Das stimmte. Innerhalb weniger Tage hatte sie mehr über das Dorfleben, die Beziehungen untereinander, den Klatsch und Tratsch, die Eifersüchteleien und Liebeleien und so weiter erfahren als in all den Monaten vorher, in denen sie nur zu Hause gelebt hatte. Und sie hatte eine Frau kennen gelernt, ungefähr so alt wie sie und sympathisch, die Interesse zeigte, nachmittags im Laden zu arbeiten. Monika Wiesner hieß sie. Sie hatte die Idee gehabt, dass man die Kinder – sie hatte eine Tochter namens Maia, die ein wenig jünger war als Julian – gemeinsam betreuen und auf diese Weise Arbeit und Familie unter einen Hut bekommen konnte. Das schien Dorothea bis jetzt der gangbarste Weg, um den Laden auch nachmittags öffnen zu können, und das war es schließlich, das ihre Laune wieder aufhellte: Das Gefühl, dass es
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