Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
dass ich gewusst hätte, was es mit diesem Ort auf sich hat. Ich war lediglich auf der Suche nach Mister Taggard …«
»… und zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort«, ergänzte der Reverend.
»Ja, mag sein«, räumte Markus ein. »Aber was ich damit sagen wollte, ist, dass ich durchaus bereit bin zu gehen. Im Grunde fehlen mir nur ein paar Liter … ich meine, Gallonen Sprit … Diesel, genauer gesagt … Also, wenn der Tank meines Wagens nicht leer wäre, wäre ich längst weg.«
Der Geistliche musterte ihn. Die Augen in seinem brachialen Schädel schienen aus Glas zu sein. »Gehen«, wiederholte er und faltete seine ungeheuren Hände. »Wohin wollen Sie gehen?«
»Das weiß ich nicht. Woandershin eben.«
»Die Welt da draußen zerfällt, Markus.«
»Ich denke, ich werde schon irgendwo ein Plätzchen finden.«
»Sie machen sich den Ernst der Lage nicht klar, Markus. Sicher, es hat erst angefangen. Es mag Orte geben, an denen alles noch recht harmlos aussieht. Bewältigbar. Halb so wild. Aber das, was geschehen wird«, sagte der Reverend, »wird geschehen. Es ist unaufhaltsam.«
»Ja, aber –«
»Sie haben sicher schon einmal von Malthus gehört. Das exponentielle Wachstum der Bevölkerung, so seine Erkenntnis, muss das lediglich lineare Wachstum der Nahrungsgrundlagen zwangsläufig irgendwann übersteigen. Dies ist ein mathematisches Gesetz, und es kann keinen Zweifel daran geben, dass es richtig ist. Die auf dem Öl basierende Technik und Wirtschaft hat es lediglich geschafft, diese Gleichungen einige Zeit lang auszuhebeln und uns damit den größten Bevölkerungszuwachs in der Geschichte der Menschheit zu verschaffen. Die Zahl der Menschen auf diesem Planeten hat sich seit dem Zeitpunkt meiner Geburt beinahe verdreifacht – eine ungeheure, nie zuvor da gewesene Rate der Vermehrung. Dank der so genannten ›Grünen Revolution‹ ist es auch gelungen, diese sechs Milliarden zu ernähren, einigermaßen zumindest. Doch worauf beruht sie, die ›Grüne Revolution‹? Nur zu einem ganz geringen Teil auf der Züchtung neuer Sorten, Genetik und anderen wissenschaftlichen Methoden. Zum größten Teil beruhen die Erfolge in der modernen Landwirtschaft auf dem Einsatz enormer Mengen an Düngemitteln und Pestiziden, gewonnen aus Erdöl, und massiver Bewässerung mithilfe benzingetriebener Pumpen. Das ist das wahre Geheimnis: Die Landwirtschaft des zwanzigsten Jahrhunderts war nichts als die Kunst, Erdöl in Nahrung zu verwandeln. Doch Erdöl ist die gespeicherte Sonnenenergie von Jahrmillionen. Was davon einmal verbraucht ist, ist für alle Zeiten fort. Wir haben nur hundert Jahre gebraucht, um diesen gewaltigen Vorrat zu verzehren – und nun? Jetzt, da diese Grundlage wegbricht, wird man unweigerlich feststellen, dass die Erde mehr Menschen trägt, als sie auf natürliche Weise zu ernähren vermag. Das kann nur eine logische Konsequenz haben: Die Zahl der Menschen wird abnehmen. Mit anderen Worten: Menschen werden sterben. Viele. Ungeheuer viele, und nichts, was jetzt noch getan werden kann, wird das verhindern. Ihre einzige Chance, Markus, dem zu entgehen, ist hier.«
Es klang beeindruckend, was er sagte und wie er es sagte. Furchteinflößend. Beinahe überzeugend.
Markus räusperte sich. »Sir«, sagte er mühsam, »ich habe nichts zu Ihrem Dorf beigetragen. Ich habe nicht geholfen, es aufzubauen, ich habe mich nicht eingekauft, ich bin nur zufällig hier. Und ich habe die starke Befürchtung, dass Sie auf Dauer nicht zufrieden mit mir sein werden. Ich hielte es trotz allem für besser, wenn ich aufbreche, sobald die Straße wieder befahrbar ist. Alles, worum ich bitten würde, wären ein paar Liter Diesel, falls Sie welchen vorrätig haben sollten.«
An Reverend Smalls Kinn zuckten ein paar Muskeln. »Ich fürchte, das geht nicht.«
»Sie haben keine Vorräte.«
»Doch, natürlich. Wohl verwahrt. Aber ich kann Sie nicht gehen lassen. Ich kann nicht riskieren, dass Sie jemandem von uns erzählen, dass sich Gerüchte verbreiten und dann Tausende von Flüchtlingen über uns herfallen.«
Markus erstarrte. Das hieß im Klartext, dass er hier gefangen war! »Sir, ich verspreche Ihnen –«
»Ich denke, wir haben uns verstanden. Sie können wieder an Ihre Arbeit gehen.«
Nach einigen bitterkalten Tagen, an denen ein so eiskalter Wind durchs Dorf gefegt war, dass Markus bisweilen das Gefühl gehabt hatte, ihm würde die Nase abfallen – die Winterjacke aus dem kanadischen Supermarkt taugte für so ein
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