Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Handelskonzern der Welt, kauft für Milliarden in China ein. Die Chinesen haben ungeheure Dollarmengen angehäuft, und wenn der Wechselkurs in den Keller geht, werden sie sie lieber schnell ausgeben, ehe sie gar nichts mehr wert sind. Was den Dollar natürlich noch weiter nach unten treiben wird, davon abgesehen.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, für die amerikanische Wirtschaft sieht es gar nicht gut aus. Jetzt rächen sich die ganzen Außenhandelsdefizite und vor allem das unglaubliche Outsourcing, das die Amis in den letzten Jahrzehnten betrieben haben. Denk dir Hollywood und die paar Computerchip-Fabriken weg – in denen summa summarum auch bloß ein paar tausend Leute beschäftigt sind –, woraus besteht die amerikanische Wirtschaft dann heute noch? Seit den Neunzigerjahren hat man im Wesentlichen nichts anderes mehr getan als Vorstädte zu bauen, zu möblieren und die Finanzierung dafür zu verwalten. Und die Straßen dorthin zu errichten. Und den Leuten die zusätzlichen Autos zu verkaufen, die sie brauchen, wenn sie dort wohnen – ein Geschäft, an dem wir auch beteiligt waren. Ansonsten gibt es noch jede Menge Pseudodienstleistungen und Internetbubbles, aber alles andere – Schwerindustrie, Chemie, Bergbau, Textilindustrie, you name it : praktisch alles ausgelagert. Wird alles eingekauft und hertransportiert. Was, wenn diese Versorgungswege aufhören zu funktionieren? Oder nur ein bisschen ins Stocken kommen? Dann heißt es hasta la vista, baby .«
Werner hatte ihm mit Stirnrunzeln zugehört. »Ist das jetzt nicht ein bisschen übertrieben? Die Amerikaner haben doch jede Menge Hightech – Gentechnik, Raumfahrt, Flugzeugbau …«
»Alles Branchen, für die du höchstqualifizierte Leute brauchst. Die gibt es nicht an jeder Straßenecke. Eine gesunde Wirtschaft braucht vernünftige Jobs für das ganze Spektrum, vom Überflieger bis runter zum Dummkopf.« Wieder hob Oberlehrer Krahn den Zeigefinger. »Und das ist immer noch nicht alles. Auch die Bau- und Immobilienbranche bricht nämlich grade mit Getöse ein. Und warum? Weil die steigenden Benzinpreise und vor allem die Aussicht, dass das nicht mehr anders werden wird, die Bewegung raus aufs Land gestoppt hat. Im Gegenteil, wer kann, zieht wieder näher an die Stadt. Die Immobilienpreise sind in freiem Fall, ein Haus in der Vorstadt ist nichts mehr wert. Nimm das und die bisher schon atemberaubende Verschuldung der amerikanischen Privathaushalte, und du hast den Fahrplan für den Zusammenbruch. Die ersten Kredite platzen bereits, die Banken geraten reihenweise ins Taumeln, und eine Pleitewelle haben die drüben natürlich auch.«
»Aber Banken haben doch einen Sicherungsfond oder wie das heißt?«
Krahn nahm sich noch eine Scheibe von dem Kalbsbraten; die dritte, wie Dorothea bemerkte. »So ein Fond ist gut, wenn eine Bank in Schieflage gerät. Aber wenn alle anfangen zu kentern … Hinzu kommt noch eine weitere pikante Schwierigkeit. Wie wir alle mitbekommen haben, inklusive unappetitlicher Bilder vom Ort des Geschehens, ist der saudische König tot. Sein designierter Nachfolger ist verschollen. Die gesamte herrschende Klasse hat das Land verlassen und wird, wie es aussieht, den Rest ihres Lebens von ihren Ersparnissen zehren müssen. Ein erklecklicher Teil dieser Ersparnisse – man schätzt, ungefähr eine Billion Dollar – ist in amerikanischen security markets angelegt. Das ist wie ein Damoklesschwert: Das ist Geld, das die saudischen Prinzen jederzeit abziehen können – und wenn sie das auf einen Schlag tun sollten, zwingt das das amerikanische Finanzsystem in die Knie. Und das globale wahrscheinlich mit.«
Dorothea bemerkte, dass Werners Finger ein wenig zitterten, als er nach der Weinflasche griff und nachgoss. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie man unter solchen Bedingungen irgendwo Geld investieren und dann noch ruhig schlafen können soll.«
Krahn lächelte wissend. »So denken alle. Genau das ist die Chance. Wenn Kapital dringend gebraucht wird, aber schwer zu kriegen ist, kann man die besten Bedingungen aushandeln. Abgesehen davon, dass es ja jede Menge Instrumente zur Risikoeindämmung gibt. Du kannst mit Put-Optionen auch in einem fallenden Markt Gewinne machen, du kannst dein Risiko hedgen … und es werden gerade laufend neue Konzepte entwickelt. Eine große Krise ist auch eine große Chance, da hat unser schöner Regierungssprecher schon ganz Recht gehabt.«
Spät am Abend, nachdem Krahn abgefahren war und sie sich im
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