Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
trotz allem aufwärts ging.
Sie wurde allerdings den Verdacht nicht los, dass Werner insgeheim immer noch davon träumte, es »schlau anzufangen«, wie er es nannte. Und dass es irgendwie damit zusammenhing, dass er kurz darauf einen neuen Bekannten zum Abendessen anschleppte, einen Kollegen aus der Firma, der in der Organisationsabteilung arbeitete und, wie Dorothea erst erfuhr, als er schon da war, nebenher als Anlageberater.
Er hieß Eberhardt Krahn, hatte eine habichtartige Hakennase, langgliedrige Hände und eine schleimige, besserwisserische Art zu reden. Fand Dorothea jedenfalls. Nach der Besichtigung des Hauses, die Werner wie immer durchzog, rief er mit glitzernden Augen: »Toll. Fabelhaft. Kaum zu glauben. Ich hoffe, dir ist klar, was für ein unglaubliches Kapital dein Haus darstellt?«
Werner lächelte geschmeichelt. »Ich habe nicht vor, es zu verkaufen.«
Krahn wedelte mit dem Zeigefinger, eine Geste, die er an diesem Abend noch oft wiederholen sollte. »Denkfehler, Werner. Anfängerfehler. Du musst es nicht verkaufen, du musst nur seinen Wert liquide machen. Jede Bank wird dir mit Handkuss eine Hypothek darauf bewilligen. Und das ist dann Geld, mit dem man arbeiten kann.«
»Schon, aber im Moment liegt ja bereits eine Hypothek drauf«, sagte Werner. »Es ist noch lange nicht abbezahlt.«
»Hypotheken zur Kauffinanzierung schöpfen den Wert eines Objekts nie aus«, belehrte Krahn ihn. »Da geht immer noch was.«
»Aber damit würden wir trotzdem das Haus aufs Spiel setzen«, wandte Dorothea ein.
Krahn sah sie an, allem Anschein nach bass erstaunt, dass eine Frau sich zu Gelddingen äußerte. »Schon«, räumte er schließlich ein. »Das darf man natürlich nicht. Aber es gibt genug risikolose Finanzinstrumente. Man muss sie nur kennen.«
Das zu hören gefiel Werner, sie sah es ihm an. Es war also nicht weiter verwunderlich, dass sich das Tischgespräch während des Abendessens rasch auf Geldanlagen und dergleichen einschoss. Anders gesagt: Krahn schwallte sie regelrecht damit zu. Wobei Werner begierig an seinen Lippen hing, während Dorothea nicht wusste, ob sie sich langweilen sollte oder befürchten musste, dass Werner sich zu irgendwas überreden ließ.
»Die Spielregeln ändern sich gerade«, erklärte er, den guten Wein achtlos hinabstürzend. »Die Ölkrise schlägt auf die Finanzmärkte durch und wirbelt alles durcheinander.«
»Trotz der Ölreserven?«, wandte Werner ein. Er hatte seinen Ich-kann-mitreden -Tonfall drauf, der Dorothea zum Stöhnen gebracht hätte, wenn sie unter sich gewesen wären.
Krahn winkte ab. »Das bringt ja nichts auf Dauer. Die Tatsache bleibt, dass die Ölförderung weiter zurückgehen wird; aus den Ölreserven zuzuschießen federt das nur ab. Und lange kann man das auch nicht mehr treiben; man kann die Reserven ja nicht völlig leeren. Für akute Notlagen, für Polizei, Militär und so weiter muss man etwas zurückbehalten – du kannst davon ausgehen, dass man die Freigaben aus den Reserven bald zurückfahren wird. Und das nehmen die Finanzmärkte natürlich alles vorweg.«
Werner warf Dorothea einen Blick zu. »An der Börse werden eben vor allem Erwartungen gehandelt, sagt man ja.«
Sie hatte Mühe, ein Seufzen zu unterdrücken.
»Der Rückgang der Ölförderung wird vor allem die amerikanische Währung treffen«, dozierte Krahn, wieder reichlich Gebrauch von seinem hochgereckten Zeigefinger machend. »Rohöl wurde bislang weltweit zum größten Teil in Dollar bezahlt, das heißt, es bestand immer Bedarf an Dollars, und die amerikanische Notenbank konnte fröhlich grünes Papier drucken und damit in aller Welt einkaufen. Petrodollar nennt man das, aber mit dem geht es in absehbarer Zeit zu Ende. Der Wechselkurs des Dollars wird sinken, das heißt umgekehrt, dass der Euro steigt, was dann hier bei uns die Exporte trifft, zusätzlich zu den demnächst weiter steigenden Transportkosten.« Wedel, wedel, wedel. »Das sieht man jetzt schon. Das Kapital flieht aus den Exportbranchen, und die Kurse sacken ab. Der unserer geschätzten Firma schließlich auch.«
Werner nickte sorgenvoll. »Denkst du, das gibt noch Probleme?«
»Da kannst du drauf wetten. Wenn es dumm läuft, kaufen uns die Chinesen und verlagern alle Werke nach China.«
»Die Chinesen?« Jetzt wirkte Werner doch reichlich verdattert.
Krahn lächelte überlegen. »China versorgt die halbe Welt mit Kleidung und billigen Konsumgütern. Die amerikanische Wal-Mart -Kette, der größte
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