Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
»Ja, worum geht’s denn?«
Der Mann legte die dünne Ledermappe, die er dabeihatte, auf den Kassentisch. »Sie machen den Supermärkten Fixkauf und EuroCenti in Duffendorf Kunden in einer Weise abspenstig, die wettbewerbswidrig ist, wissen Sie das?«
Ein kalter Schreck durchfuhr Dorothea. Ihr war, als habe sie auf einmal Stahl im Bauch. »Wie bitte?«
»Sie bringen immer mehr Leute dazu, bei Ihnen einzukaufen statt in den Supermärkten, in denen sie sich bisher versorgt haben.«
Das war ein Anwalt, oder? Der in Drohgebärden machte. Das war unglaublich. Was bildeten sich diese Märkte eigentlich ein? Widerspruchsgeist erwachte in Dorothea. Und irgendwie war es ja sogar schmeichelhaft, dass diese riesigen Märkte in ihr eine Konkurrenz sahen.
»Na und?«, erwiderte sie. »Das ist die normalste Sache der Welt. Ich biete Ware an, Sie bieten Ware an, und die Leute entscheiden, wo sie kaufen. Was soll das überhaupt? Ich beschwere mich ja auch nicht, dass der Fixkauf die Milch billiger verkauft, als ich sie einkaufen kann.«
Der Mann sah sie ausdruckslos an. »Es gibt so etwas wie ein Wettbewerbsrecht. Gesetze, die regeln, was erlaubt ist und was nicht.«
»Ich wüsste nicht, was ich Unerlaubtes getan haben sollte.«
»Da kann ich Ihnen auf die Sprünge helfen.« Der Anwalt öffnete seine Mappe, holte ein hellgrünes Blatt Papier heraus und hielt es ihr unter die Nase. Ihr eigenes Flugblatt. »Hier rechnen Sie den Leuten vor, was sie an Benzin sparen, wenn sie statt nach Duffendorf zu fahren zu Ihnen kommen. Sie nennen explizit die Namen meiner Klienten. Das ist vergleichende Werbung und in dieser Form nicht erlaubt.«
Dorothea fühlte, wie ihre Knie zu zittern begannen. »Aber –«
»Sie können die entsprechenden Gesetzestexte gerne nachlesen.« Er holte einen Briefumschlag hervor. »Normalerweise hätte ich Ihnen meine Abmahnung einfach mit der Post geschickt, doch auf Wunsch meiner Klienten überbringe ich sie Ihnen persönlich, um Ihnen bei dieser Gelegenheit zu versichern, dass meine Klienten gesprächsbereit sind.« Er überreichte ihr den Umschlag.
»Was heißt das?«
»Wenn Sie Ihren Laden – der ohnehin wenig rentabel zu sein scheint – zu schließen bereit sind, werden meine Klienten von einer weiteren Verfolgung dieser Angelegenheit absehen.« Er legte ihr noch eine Visitenkarte hin. »Sie erreichen mich jederzeit unter einer dieser Nummern. Guten Tag.«
Dann war er fort. Irgendwie war es irritierend, dass kein Schwefelgeruch zurückblieb, ging es Dorothea durch den Kopf. Das hätte so sein müssen. Ob sie Schnupfen hatte?
Dann traf sie der Schreck, und sie musste sich setzen. Das war immer ihr Albtraum gewesen. Gegen irgendeine Vorschrift zu verstoßen – von denen es so viele gab, dass es ein Vollzeitjob gewesen wäre, sie alle zu lesen – und dann Schwierigkeiten zu kriegen.
Sie zerriss den Umschlag, so stark zitterten ihr die Finger. Faltete das Schreiben auseinander. Überflog es. Juristisches Kauderwelsch, von dem sie so gut wie nichts verstand – bis auf die Zahl, die groß, fett und zentriert im unteren Drittel stand. Die war unmissverständlich.
Ihre Konkurrenten forderten eine Abmahngebühr, die höher lag als der gesamte Umsatz, den sie mit ihrem Laden bis jetzt erzielt hatte. Andernfalls würden sie Klage erheben.
Nach und nach hatte Markus das Gefühl dafür verloren, dass die Zeit verging. In Bare Hands Creek kam ihm jeder Tag wie der andere vor. Er erwachte morgens davon, dass Taggard quer durch das Wohnzimmer ins Bad schlappte, wusch sich dann selber mit dem eiskalten Wasser, an das er sich nie gewöhnen würde, während Taggard Kaffee machte. Nach einem Tag immer gleicher, weitgehend stumpfsinniger Arbeit war er abends müde, sie aßen wortkarg, und schließlich schlief er wieder auf der Couch, auf der ihm der Rücken wehtat und die ihm kein Gefühl von Privatheit vermittelte.
Inzwischen arbeitete er nicht mehr im Stall, sondern im »Silo«, wie man den großen, düsteren Bau nannte, der im Inneren wie ein Labyrinth aus lauter kleinen Kammern, Gängen und Behältern wirkte. Die Vorräte an Weizen, Gerste und Hirse wurden hier gelagert, und seine Aufgabe war es, das Getreide zu belüften und immer aufs Neue zu sieben sowie Mausefallen aufzustellen und zu kontrollieren. Ab und zu durfte er Körner mahlen, mit einer Mühle, die zu seiner Verwunderung elektrisch betrieben wurde. Man habe auch eine mechanische in Reserve, erklärte ihm Abigail, eine hoch gewachsene,
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