Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
jemanden zu entlassen.«
Er nickte. Sie merkte, wie er ein wenig ruhiger wurde.
»Wie läuft der Laden?«, fragte er mit einem mühsamen Lächeln.
»Gut«, sagte Dorothea. »Dass wir jetzt auch nachmittags offen haben, macht sich bemerkbar. Und mit Monika klappt es prima, auch mit den Kindern. Julian und Maia kommen gut miteinander klar.«
»Wie sieht es mit dem Geld aus?«
»Nicht so gut wie bei gewissen Internetseiten, aber letzte Woche waren es fast vierhundert Euro, und das, obwohl ich die Reparatur am Kühlregal bezahlen musste.« Erst jetzt kam ihr zu Bewusstsein, dass in Werners Frage ein eigenartiger Unterton mitgeschwungen hatte. Sie sah ihn an. »Wieso fragst du?«
Er sah zur Decke. »Man wird uns die Gehälter kürzen. Die Ankündigung kam heute. Vom Betriebsrat abgesegnet.«
Sie würden es verkraften, denn inzwischen brummte Dorotheas Laden. Die Phase, in der jeder größere Gewinn gleich wieder von Reparaturen oder notwendigen Anschaffungen aufgefressen worden war, war vorbei. Mittlerweile blieb am Ende einer Woche richtig was übrig; zudem konnte sie ihren eigenen Haushalt zum größten Teil aus Lebensmitteln bestreiten, deren Haltbarkeitsdatum gerade abgelaufen war, was zusätzliche Ersparnis bedeutete. Seit sie nachmittags offen hatte, kamen auch immer mehr Kinder, um ihr Taschengeld in Süßigkeiten, Comicheften und in unsäglichen, aber offensichtlich heiß begehrten Sammelbildchen anzulegen. Ihr Laden war ein Treffpunkt im Dorf geworden, eine Entwicklung, die sie zu fördern gedachte. Im Sommer, hatte sie sich vorgenommen, würde sie ein Marktplatzfest organisieren, wie es noch vor zwanzig Jahren hier im Ort gang und gäbe gewesen sein musste. Sie hatte schon erfragt, wer im Rathaus deswegen zu kontaktieren war.
Seit einigen Tagen beobachtete sie eine Frau, die täglich kam, sich ewig lange in den Regalen umsah – bestimmt hatte sie jede einzelne Dose und jedes einzelne Glas schon in die Hand genommen –, um sich dann, wenn an der Kasse eine Schlange war, anzustellen, mit einem Korb, in dem Ware für vielleicht zehn, zwölf Euro lag. Dorothea wurde das Gefühl nicht los, dass diese Frau jede ihrer Bewegungen beobachtete. Unheimlich. Sie hatte kurzes, dunkles Haar, fast keinen Busen und war etwas mollig. Sie wirkte eigentlich völlig durchschnittlich, nicht wie jemand mit einem Sprung in der Schüssel oder so.
Dorothea begann, ihr durchs Fenster nachzusehen, wenn sie den Laden verließ. Draußen stieg sie in ein Auto mit einem Kennzeichen, das jedenfalls nicht von hier war. Gut, das mochte nichts zu bedeuten haben; ein Firmenwagen vielleicht, der weiß Gott wo zugelassen war. Aber in Kombination mit ihrem sonstigen Verhalten … Und sie fuhr nie gleich los. Es sah aus, als notiere sie erst etwas in ein Notizbuch. Wie viel sie ausgegeben hatte? Dazu dauerte es zu lange.
Schließlich, als sie einmal mit ihr im Laden allein war, fragte sie sie einfach, ob sie von hier sei; sie habe sie im Dorf noch nie gesehen.
»Nein«, sagte die Frau, »ich komme aus Buchfeld.«
»Buchfeld?« Gehört hatte Dorothea diesen Ortsnamen schon, aber sie hätte nicht einmal sagen können, in welcher Himmelsrichtung das lag. Nicht in der Nähe jedenfalls. »Und da kommen Sie ausgerechnet in meinen Laden?«
Die Frau schien sich einen Ruck zu geben. »Ja. Offen gesagt: um zu lernen.«
»Zu lernen?«
»Ich will Ihnen keine Konkurrenz machen, keine Sorge«, sagte die Frau hastig. »Es ist bloß so – ich trage mich mit dem Gedanken, bei uns im Ort auch einen Laden aufzumachen. So wie Sie das gemacht haben. Das fehlt bei uns genauso, glaube ich. Na ja, und ich dachte, ich kann mir bei Ihnen vielleicht das ein oder andere abgucken …«
Dorothea musterte die Frau verblüfft, einen Moment lang unsicher, was sie von dieser Situation halten sollte. Dann fiel ihr eine Passage aus Amalia Birnbauers Notizbuch ein. Sie lächelte.
»Sie können mich gerne einfach fragen«, erklärte sie. »Ich denke nicht, dass ich irgendwas verheimlichen muss. Ich heiße übrigens Dorothea Utz«, fügte sie hinzu und streckte ihr die Hand hin.
Die andere schlug, sichtlich erleichtert, ein. »Gabriele Elser. Gabi, einfach.«
»Am besten treffen wir uns mal zum Kaffee und besprechen alles«, meinte Dorothea. »Wenn wir zu zweit sind, sollten wir nämlich eine Einkaufsgemeinschaft bilden. Dann können wir größere Mengen bestellen, kriegen günstigere Konditionen, und die Großhändler werden sich vielleicht sogar merken, wie wir
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