Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
dass es eine Sache war, einen Machtanspruch aus Abstammung, Tradition oder der Loyalität einer Armee herzuleiten, aber eine völlig andere, die Mehrheit derer, die man regierte, hinter sich zu wissen.
Die Blicke, denen er begegnete, sprachen Bände. Natürlich war ihm klar, dass man ihm nachsagte, ein Herrscher von Gnaden der Amerikaner zu sein – doch tatsächlich hatte er sich dank der Abstimmung aus genau dieser Umklammerung befreit. Die Amerikaner konnten sich nicht mehr gegen ihn stellen, weil nun klar war, dass sie sich damit gegen das saudische Volk gestellt hätten. Und auch die anderen Führer wussten, dass das so war. Er las in diesen Blicken Misstrauen, vor allem aber Angst, erbärmliche, unwürdige Angst. Keiner der anderen wusste, wie viele seiner Untertanen wirklich hinter ihm standen. Und keiner hätte es gewagt zu versuchen, das herauszufinden.
Natürlich verdankte er vieles den turbulenten Ereignissen der letzten Monate. Die dadurch entstandene Situation hatte es ihm ermöglicht zu erreichen, woran selbst so hervorragende Führer wie König Faisal oder König Abdallah gescheitert waren: die Privilegien der königlichen Familie radikal zu beschneiden, ja im Grunde abzuschaffen. Die Auslandsvermögen der Flüchtigen waren beschlagnahmt und eingefroren, die Apanagen derer, die geblieben waren, auf einen Minimalbetrag gekürzt. Damit war nicht nur der vom Volk mit wachsendem Unwillen betrachteten Prunksucht ein Riegel vorgeschoben, auch die Staatsfinanzen waren dank dieses Schnittes wieder saniert, selbst unter den neuen Verhältnissen.
So konnte Abu Jabr, als die Reihe an ihm war, mit einem Selbstvertrauen sprechen, von dem er selber nicht geglaubt hätte, es zu besitzen.
Nach den einleitenden Worten, wie sie üblich waren und erwartet wurden, und einem ausführlichen Rückblick auf die vergangenen Ereignisse kam König Faruq auf das Thema Öl zu sprechen. »Saudi-Arabien ist immer noch ein Land mit großen Ölreserven und einer der größten Förderraten der Welt. Doch wir müssen und werden uns von dem bisherigen Anspruch, beliebig viel Öl produzieren zu können, verabschieden. Im Gegenteil, Saudi-Arabien wird seine Produktion zunächst drosseln. Ich habe lange mit den Experten unserer Ölgesellschaft gesprochen und mich überzeugen lassen, dass viele der großen, alten Ölfelder in den letzten Jahren zu sehr beansprucht wurden. Wenn wir verhindern wollen, dass sie in Kürze dasselbe Schicksal wie Ghawar erleiden, dann ist jetzt der Zeitpunkt, die Entnahme zu reduzieren. Das heißt, dass die Preise für Erdöl weiterhin steigen werden.« Er nickte dem greisen ehemaligen Erdölminister Saudi-Arabiens und Architekten des ersten Ölembargos, Ahmed Zaki Yamani, zu, der als Ehrengast zu dieser Konferenz eingeladen worden war. »Wir wissen, dass Sheikh Yamani stets davor gewarnt hat, die Ölpreise zu hoch werden zu lassen, weil sonst das Öl seine führende Bedeutung für die globale Energieversorgung einbüße. Diese Sorge mag berechtigt gewesen sein oder auch nicht – Tatsache ist, dass wir keinen Einfluss mehr darauf haben. Ich bin außerdem der Überzeugung, dass wir das Selbstvertrauen aufbringen sollten, hohe Ölpreise gutzuheißen. Auch teures Öl ist ein wertvoller und gefragter Rohstoff und wird es auch in Zukunft bleiben. Unsere Ölvorkommen sind das wertvollste Vermögen unserer Länder, und wir sollten aufhören, danach zu trachten, sie so rasch und so billig wie möglich zu verschleudern. Stattdessen sollten wir danach trachten, sie weise zu verwalten, und das heißt: sparsam. Unser Ziel sollte sein, dass auch unsere Kinder, deren Kinder und die Kinder unserer Kindeskinder noch Nutzen aus dem Öl ziehen.«
Diese Rede wurde übersetzt und überall auf der Welt verbreitet. Auch dem Letzten war damit klar, dass die alten Zeiten nicht wiederkehren würden.
»Höchste Zeit, dass das als Chefsache behandelt wird.«
Derjenige, der das gesagt hatte, war ein untersetzter Mann mit mühsam gebändigter Löwenmähne, der immer wieder an seinem Kragenknopf fummelte. Man merkte ihm an, dass er es nicht gewohnt war, eine Krawatte zu tragen.
Die anderen am Tisch nickten, und der eine oder die andere sah verstohlen auf die Uhr. Schon zehn Minuten nach dem Termin, den man ihnen auf der Einladung genannt hatte. Und bei der Begrüßung. Und beim Sicherheitscheck. Cum tempore . Die akademische Viertelstunde. Die Wissenschaftler unter den Geladenen nahmen es leichter als die Bosse aus der Wirtschaft, die
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