Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Vertreter der Energiekonzerne oder Automobilhersteller etwa.
Immerhin, der Blick aus dem in einem der oberen Stockwerke des Bundeskanzleramtes gelegenen Konferenzraum war großartig. Der Tiergarten zeigte die ersten Anzeichen des nahenden Frühlings, und die Kuppel des Reichstagsgebäudes glänzte frisch gewaschen in der Sonne.
»Sie kommt«, sagte jemand, dann ging die Tür auf, und die Bundeskanzlerin kam herein, im Eilschritt fast. Sie umrundete den Tisch, gab jedem die Hand, war, wie man sie aus dem Fernsehen kannte, klein, umgänglich, zielstrebig. Nur die stahlharte Ausstrahlung, die kannte man so nicht.
Sie ließ sich die verschiedenen Konzepte vorstellen, fragte scharfsinnig nach, kürzte Wortgewölk gnadenlos ab. Woher sollte in Zukunft die Energie für Deutschland kommen, für Industrie und Wirtschaft, für Haushalte und Verkehr? Das war die Frage, und was keine Antwort darauf war, war unwillkommen.
Zuerst ging es um die so genannten alternativen Energien. Dass Wasserkraft eine nahezu ideale Energiequelle war, aber in Deutschland praktisch schon überall, wo sich dies realisieren ließ, genutzt wurde, war innerhalb von fünf Minuten geklärt. Solarenergie? Ja, räumte der Vorstandsvorsitzende eines Energiekonzerns ein, trotz des eher mäßigen Sonneneinfalls in Mitteleuropa sei da noch ungenutztes Potenzial. Wenn man auf jedem Dachziegel eine Solarzelle hätte, das brächte schon einiges. Es gebe allerdings zwei Probleme: Erstens, da Solarenergie immer dann anfalle, wenn man sie eigentlich nicht brauche, müsste nicht nur in die Zellen selbst, sondern auch in großem Umfang in Speichervorrichtungen investiert werden. Vor allem Letzteres sei teuer. Zweitens sei die Ökobilanz von Solarzellen äußerst umstritten.
»Ist das eine echte Sorge oder eine Ausrede?«, fragte der Vertreter eines Umweltverbandes.
»Ich habe Enkelkinder«, entgegnete der Vorstandsvorsitzende. »Und ich möchte nicht, dass die mal beim Schein von Talglichtern leben müssen.«
Die Kanzlerin hob die Hand, um den Disput zu stoppen. »Kann das ein Ansatz sein?«
Kopfschütteln in der Runde. »Wenn man die Weichen vor Jahrzehnten anders gestellt hätte, könnte man darüber reden«, meinte ein Wissenschaftler. »Aber aus der jetzigen Lage heraus ist das allein vom Kapitalaufwand unerschwinglich. Außerdem fehlt weitgehend die Infrastruktur zur Herstellung, Wartung und so weiter von Anlagen in den benötigten Größenordnungen.«
»Wie sieht es mit Wind aus?«
Da sei, erläuterte man ihr, auf dem Land nur noch wenig möglich, ohne die Landschaft für marginale Energiegewinne zuzuspargeln. »Wenn wir darauf bestehen, dass eine Windturbine nicht nur als Steuersparmodell funktionieren, sondern sich real rechnen soll«, erklärte der Chef eines Windparks, »dann sind nur noch Offshorewindparks sinnvoll.« Er warf das computergenerierte Bild einer Rotorenplattform in der Nordsee an die Wand. »Da könnten uns übrigens die Kollegen von den Ölfirmen mit Knowhow beispringen. Die haben mit Plattformen im Meer schließlich jahrzehntelange Erfahrung.«
»Sie werden lachen, wir haben sogar entsprechende Projekte baufertig in der Schublade«, meinte der Forschungsleiter eines Ölkonzerns lächelnd. Von ihm wusste man, dass er aus dem Vorruhestand zurückgeholt worden war.
»Wie schnell kann das gehen?«, fragte die Kanzlerin.
»Fünf, sechs Jahre, wenn wir uns ins Zeug legen.«
»So lange?«
»Ich mache darauf aufmerksam«, meldete sich der Vorstand mit den Enkelkindern zu Wort, »dass Windenergie nur in begrenztem Umfang zu unserem Energiebedarf beitragen kann. Das ist bedingt durch das Prinzip. Wind weht nun mal nicht nach Plan. Wir rechnen pro Kilowatt Windleistung 0 , 9 Kilowatt Leistung, die wir in Reserve halten müssen. Anders lässt sich ein störungsfreier Betrieb nicht garantieren.« Er hob die Schultern. »Das ist wieder das Problem der Speicherung von Energie. Was wir brauchen, ist Energie auf Abruf. Alles andere kann nie mehr als Zubrot sein.«
»Was gibt es an Energie auf Abruf?«, hakte die Kanzlerin nach.
Der Mann mit der Löwenmähne zählte an den Fingern ab. »Öl und Gas – das, wovon wir weg wollen beziehungsweise müssen. Kohle – ebenfalls ein fossiler Energieträger, der natürlich ebenfalls irgendwann seinen Peak haben wird, dankenswerterweise aber erst in hundert oder noch mehr Jahren …« Er sah die Leute von den Umweltverbänden an. »Das ist unstrittig, nicht wahr?«
»Wenngleich der Peak natürlich
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