Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
verhärmte Frau Mitte fünfzig, die das Silo beaufsichtigte. Sie trug selbst gestrickte Pullover und hatte langes, gewelltes Haar, das vermutlich noch nie einen Frisiersalon von innen gesehen hatte.
Inzwischen war der März angebrochen, behauptete der Kalender in Taggards Küche. Auf jeden Fall war der Schnee weitgehend verschwunden, dafür regnete es viel, und die Wege im Dorf waren schlammig. So warm sei der Februar noch nie gewesen, sagten die anderen.
Die Wälder erschienen ohne den Schnee unheimlicher, dunkler, waren auf einmal voller Geräusche. Tierlaute erfüllten ihn, wenn man auf Patrouille ging, und unerwartete Knacklaute ließen einen zusammenzucken.
Im Silo war es immer trocken, aber dunkel und kühl. Manchmal öffnete Markus Türen, um zu sehen, was dahinter war. Er fand Kisten mit Nüssen, zum Beispiel, oder Dreschflegel oder Säcke voller kleiner, schwarz-weiß gestreifter Kerne.
»Das sind Sonnenblumenkerne«, erklärte Abigail, als er sie fragte.
»Isst man die auch?«, fragte Markus, ehe ihm einfiel, dass er in Deutschland oft Brot mit Sonnenblumenkernen gesehen hatte.
»Kann man«, sagte Abigail. »Man muss sie natürlich vorher schälen. Geröstet auf Salat, das geht. Aber wir machen hauptsächlich Öl daraus.«
»Öl?«
»Sonnenblumenöl. Mit einer Presse.«
Öl. Markus starrte die Kerne auf seiner Handfläche an und musste an Keith Pepper denken, zum ersten Mal seit langer, langer Zeit. Wie es ihm wohl ging? Ob er überhaupt noch lebte? Es schien Ewigkeiten her zu sein, dass er in dessen Garage zugesehen hatte, wie ein Motor mit Pflanzenöl betrieben wurde.
War das die Lösung? Hielt er gerade das Ticket in Händen, das ihn aus Bare Hands Creek fortbringen würde?
Das kleine Päckchen im Kofferraum fiel ihm wieder ein, irgendwelche kantigen Gegenstände in Plastikfolie gewickelt und verschnürt. Die Teile, die man austauschen musste, um den Motor auf die Verbrennung von Pflanzenöl umzurüsten. Früher hätte er nicht im Traum daran gedacht, an einem Auto herumzuschrauben, aber nach allem, was er hier schon hatte machen müssen, fand er es nicht mehr undenkbar, es zumindest zu versuchen. Immerhin war sein Vater ein Bastler gewesen, sein Bruder bastelte heute noch, also besaß er ja wohl auch ein paar entsprechende Gene. Und angenommen, er bekam es hin, dann musste er nur noch …
Stehlen. Einen Sack Sonnenblumenkerne.
Im gleichen Moment wusste Markus, dass er das nicht tun würde. Ausgeschlossen.
Während er zurück zu dem Lagerraum ging, um die zehn Kerne in seiner Hand wieder in den Sack zu legen, aus dem er sie genommen hatte, versuchte er sich darüber klar zu werden, was ihn mehr bestürzte: dass er hier in Bare Hands Creek quasi gefangen war oder dass er sich trotz allem schon so eingelebt hatte, dass er sich kaum noch vorstellen konnte, je zu gehen.
Kapitel 44
K önig Faruq«, murmelte Abu Jabr Faruq Ibn Abdulaziz Al-Saud seinem Spiegelbild zu, während er seine ghutra zurechtzog. Daran musste er sich erst noch gewöhnen.
Hinter ihm ging der Blick durch die Fenster der Hotelsuite über die futuristische Skyline von Kuwait City. Das Treffen der Führer der arabischen Erdöl exportierenden Länder war die erste Auslandsreise nach seiner Inthronisation.
Die Abstimmung hatte eine Zustimmung von mehr als siebzig Prozent ergeben. Das hatte sich schon früh abgezeichnet, und nach der Auszählung aller Stimmzettel waren es schließlich 71 , 3 % gewesen.
»Ein kluger Schachzug«, hatte Frank Miller ihm säuerlich attestiert. »Auf keinem anderen Weg hätten Sie Ihre Machtposition derart stärken können.«
»Ja«, hatte Abu Jabr gesagt und dann erst erkannt, was der Gesandte der amerikanischen Regierung damit meinte: auch gegenüber den USA . Deswegen war er so angesäuert.
Jemand klopfte verhalten. »Es ist Zeit, Euer Hoheit.« Die Stimme Ahmads, seines Assistenten. Ja, es war Zeit. Zeit, der Versammlung gegenüberzutreten.
Bis zum Konferenzzentrum waren es nur dreihundert Meter, aber die mussten im vergoldeten Luxusauto und begleitet von einem Motorradkonvoi zurückgelegt werden. Fahnen entlang der Straße, Sicherheitsleute, dahinter fähnchenschwenkende Kinder. Abu Jabr winkte ihnen zu, ohne zu wissen, ob man ihn im Inneren des Wagens überhaupt sehen konnte.
Endlich betrat er den Konferenzraum, der wie üblich eine Mischung aus in Beton nachgebildeter Beduinentradition und westlicher Konferenztechnik darstellte. Als er dem ersten anderen Monarchen begegnete, merkte er,
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