Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
hat mich zum Mittagessen ins Haupthaus eingeladen.«
»Nur geredet?«
Markus musterte den fahlhäutigen Mann. »Sie war … na ja, scharf drauf. Das habe ich schon gesehen. Rallig, könnte man sagen. Aber ich habe sie nicht angerührt. Sie war deswegen sogar sauer auf mich.«
Bruce sah ihn forschend an und schien ihm Glauben zu schenken, denn er ließ ihn schließlich los. »Also, der Punkt ist, dass sie minderjährig war, als es passiert ist. Das gibt Ärger. Ich schätze mal, James sagt es dem Reverend heute Abend, wenn sie sich nach der Kirche zur Dreierratssitzung treffen. Und wenn ich meine Beobachtungen richtig interpretiert habe, könnte dir ein Prozess vor dem Dorfgericht blühen.«
»Dorfgericht?«, wiederholte Markus.
Bruce sah ihn ernst an. »Wenn es eine Vergewaltigung war, verhängen wir hier die Todesstrafe.«
Kapitel 45
D as, was da in seinen Eingeweiden hochkroch, war Entsetzen. Wenn Wort gegen Wort stand, was würde dann geschehen? Wem würde man glauben? Ihm, dem Flüchtling, dem Fremdling, dem unnützen Esser?
Markus sah sich um. Es war, als erwache er aus einem schlechten Traum. Da, die Häuser, tief an den Boden geduckt. Der Himmel, an dem sich die nachtschwarzen Wolken eines nahenden Unwetters ballten. Der Wald ringsum, dunkel, unbekannt, bedrohlich, eine schwarze Wand, vor der die Bäume standen wie Wachsoldaten. Was tat er hier? Nein, der Zeitpunkt war gekommen, zu gehen. Auch wenn sie eine Flucht als Eingeständnis seiner Schuld werten würden.
Er besaß sein Auto. Niemand hatte bisher weiteren Anspruch darauf angemeldet; es stand immer noch in der Garage. Alles, was er brauchte, war Treibstoff.
Er überlegte. Die Vorräte an Benzin und Diesel lagerten, das hatte er einmal mitbekommen, in einem unterirdischen Gewölbe am Ortsrand. Das Gelände war eingezäunt, der Zugang abgeschlossen, und ein großes Rudel Gänse lebte innerhalb der Umfriedung, das bei jeder Annäherung so laut zu schnattern anfing, dass man es im halben Dorf hörte.
Dort würde man außerdem zuerst suchen. Nein, die Idee mit dem Pflanzenöl war viel besser. Wie viel würde er brauchen? Zur Not reichte es, wenn er bis Yellow Pine kam. Wie weit war das? Vierzig Kilometer, vielleicht fünfzig? Fünf, sechs Liter, damit konnte er es schon schaffen.
Dumm, dass Charles Taggard eher ein Anhänger von hartem Palmfett war. Keith Pepper und seine Freunde hätten das zwar sicher als Herausforderung empfunden, aber was ihn anbelangte, war damit nichts anzufangen. Er musste schon richtiges Sonnenblumenöl auftreiben.
In der Küche des Haupthauses. Er war sich sicher, dort schon einmal einen Kanister stehen gesehen zu haben.
Schnell. Er musste sich vor allem beeilen. Die Kirche fing gleich an, und es würde auffallen, dass er nicht da war … Er marschierte los, schlug sich seitlich durchs Gebüsch, ging durch die dunklen Seitengassen. Er kam an, als die Frauen, die in der Küche arbeiteten, gerade schwatzend und tuschelnd das Haus verließen.
Er konnte sich schon denken, worüber sie zu tuscheln hatten.
Die Haustüre war unverschlossen. Niemand schloss Haustüren ab in Bare Hands Creek. Markus huschte hinein, lauschte. Niemand mehr da. Er stieß die Tür zur Küche auf.
Es war dunkel bis auf eine kleine rote Leuchtdiode am Kühlschrank, die diffuse Helligkeit verbreitete. Doch die reichte bei aller Gewöhnung nicht aus, mehr zu erkennen als die gröbsten Umrisse. Markus tastete über Arbeitsflächen aus fettigem oder rissigem Holz, über Messergriffe und Brotkrümel, bis ihm einfiel, dass es ohnehin unnötig verdächtig aussehen würde, wenn jemand hereinkam und ihn so vorfand. Besser, er machte Licht und ließ sich eine gute Ausrede einfallen.
Ein Dreh am Schalter, und die Leuchtröhre an der Decke tauchte die Küche in klinische Helligkeit. Immerhin, so viel Luxus gab es noch. Und es bedurfte nur eines Blicks, um zu finden, was er suchte: das Regal unter dem Herd.
Zwei Plastikkanister, unbeschriftet, der eine weiß und der andere blau. Der blaue war voll. Markus wuchtete ihn hoch, schraubte den Verschluss auf und roch daran: Essig. Damit fing er nichts an.
Im weißen Kanister war Öl, aber nur noch ein Bodensatz. Kein Liter mehr, nicht mal mehr ein halber. Damit würde er auch nicht weit kommen.
Was nun? Er hatte keine Ahnung, wo die übrigen Vorräte an Öl sein mochten. Er konnte versuchen, in den anderen Wohnhäusern welches zu finden, oder aber zu den Gänsen gehen … Beides war gleichermaßen riskant und
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