Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
ärgerlichen Schrei los, und ein ohrenbetäubender Knall zerriss die Luft, die Welt, den Wald.
Die Sonne kam zwischen den Wolken hervor, ließ die regennassen Wipfel der Bäume diamanten aufleuchten. Die schlammigen Spuren auf den Wegen bildeten moderne Kunst. Atemlose Stille erfüllte den Wald, die Welt, die Luft.
Ich spüre gar nichts , dachte Markus.
Dann sah er Taggard, der ihm den Rücken zugewandt hatte, auf die Knie fallen, sich die Hände vor die Brust legen und seitwärts in sich zusammensinken.
Die mörderische Stimmung war wie weggeblasen. Erschrocken umschwärmte man Taggard, drehte ihn auf den Rücken, nestelte an seinem Hemd herum, das vor Blut troff, rief nach einer Decke, nach Wasser, nach dem Arzt.
»Er lebt noch!«
»Schnell, ruft Dr. Heinberg!«
Der Arzt erschien, zusammen mit dem Reverend, und kniete bei dem Verletzten nieder. »Wir sollten ihn ins Haus schaffen«, meinte er zu dem Geistlichen.
»Tragt ihn rein«, befahl der Reverend und zeigte auf sein eigenes Haus. Dann deutete er auf Markus. »Und bindet den da los.«
Der Blick, mit dem er Markus ansah, war kalt.
Es wurde ein langer Tag. Markus saß im Arbeitszimmer des Reverends, bewacht von einem Mann mit Gewehr, der kein Wort redete. Stunde um Stunde verging. Man brachte ihnen etwas zu trinken, und ein anderer, genauso schweigsamer Mann übernahm die Wache.
Es war ein kahles Zimmer. Die Wände waren weiß, die Pflanzen auf der Fensterbank der einzige Schmuck.
Und die Bücher. In drei Schränken standen sie hinter Glas, und Markus vertrieb sich die Zeit damit, die Titel auf den Rücken zu entziffern. Viele fromme Bücher natürlich. Der Weltuntergang schien das häufigste Thema zu sein. Der Reverend besaß auch viele Bücher über Ökologie, Politik und Landwirtschaft. Auf einem Lesepult lag ein dickes Werk mit dem Titel »Biblischer Ackerbau«.
Durch die halb offen stehende Tür bekam man immer wieder etwas von dem mit, was im Rest des Hauses geschah. Wie blutige Tücher vorbeigetragen wurden oder Schüsseln. Es roch inzwischen nach Desinfektionsmitteln. Manchmal waren gedämpfte Stimmen zu hören.
»… nicht gut …«
»Kann er …?«
Türen wurden geöffnet und leise geschlossen, Schritte huschten umher. Wasser lief.
Markus wurde zwischendurch müde, hätte auf der Stelle einschlafen können. Eine Frau brachte ihm einen Apfel und einen Kanten Brot, das belebte ihn wieder.
Er hörte den Reverend. »Ja, ich komme«, sagte der. Eine Tür ging, dann herrschte wieder Stille.
Vielleicht, überlegte Markus, schickten sie ihn nun fort. Verbannung, das war doch eine sinnvolle Strafe für Leute, die sich an den Vorräten einer Gemeinschaft vergriffen. Bestimmt kam es so.
Irgendwann bemerkte er, dass die Sonne auf der anderen Seite des Hauses aus den Wolken lugte. Saß er schon den ganzen Tag hier?
»Ich muss mal auf die Toilette«, sagte er zu seinem Wächter.
Der sah ihn seltsam an, und Markus begriff, dass er es wieder versiebt hatte. In Amerika ging man nicht auf »Toiletten«, hier ging man ins »Badezimmer«. Er würde es nie lernen.
Der Wächter begleitete ihn an den Ort, dessen Bezeichnung nicht benutzt wurde. Die Fenster waren vergittert, an Flucht war nicht zu denken. Markus pinkelte einfach nur, wusch sich die Hände, und als er wieder in den Flur hinaustrat, sah er den Reverend warten, eine große, mächtige Gestalt im Halbdunkel.
»Sie sollen zu ihm reinkommen«, sagte er.
Markus nickte beklommen. »Okay.«
Er ging langsam auf den Geistlichen zu, seinen Wächter und dessen Waffe im Rücken wissend. Er deutete auf die Tür, vor der der Reverend wartete. »Hier?«
Reverend Small winkte ihn näher heran.
»Er wird die Nacht nicht überleben«, raunte er Markus zu. »Er weiß es. Er wollte sie noch einmal unter vier Augen sprechen. Benehmen Sie sich entsprechend.«
Markus schluckte. »Mach ich.«
Er ging hinein, bekam mit, wie man die Tür hinter ihm wieder schloss, ließ sich von dem Geruch nach Krankenhaus und Tod umfangen und konnte nur den Mann anschauen, der da, im Rücken hochgelagert, auf dem Bett lag, den Oberkörper verbunden, ein Tuch über den Schultern, blass und bleich im Gesicht, die Augen noch tiefer liegend als bisher schon.
»Ah«, hauchte er. »Markus. Da sind Sie. Gut.«
Markus trat näher. »Es tut mir Leid, dass es so gekommen ist. Es war dumm von mir, mich an den Vorräten zu vergreifen.«
»Warum haben Sie das überhaupt gemacht?«
»Ich wollte Öl gewinnen, um meinen Wagen flott zu
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