Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
verzweifelt.
Er schritt eilig die Küche ab, sah in alle Regale, unter alle Tische …
Da. Was war das? Eine Art Presse, oder? Ein altmodisches, massiv wirkendes Gerät mit einer Drehspindel, über die man einen Stempel in eine runde Auffangschale pressen konnte. Markus betastete den Rand der Abflussrinne, roch an seinen Fingern: Öl.
Mit einem Schlag stand ihm vor Augen, was er machen würde. Der Plan war fix und fertig, so, als hätte sein Unterbewusstsein ihn vorbereitet, um ihn im geeigneten Moment einfach nur aus der Schublade zu ziehen. Er würde diese Spindelpresse, den fast leeren Kanister und einen der Trichter mit hinüber ins Silo nehmen, und dort wusste er auch schon, in welcher Kammer er ungestört sein würde mit all diesen Geräten und einem Sack Sonnenblumenkernen.
Ferne Vergangenheit 1913
A m 29 . September begab sich der 55 -jährige Inge nieur Rudolf Diesel an Bord des Postdampfers »Bremen«. Ziel seiner Reise war London, wo er an einer Versammlung der Consolidated Diesel Manufacturing Ltd. teilnehmen wollte.
Rudolf Diesel war als Erfinder des nach ihm benannten Motors ein bekannter Mann. Es lag sechzehn Jahre zurück, als sein Motor zum ersten Mal erfolgreich gelaufen war; seit nahezu fünfzehn Jahren wurde er in Augsburg in Serie gefertigt. Motorschiffe, Lastwagen und Lokomotiven wurden schon damit betrieben.
Rudolf Diesel war ein genialer Tüftler, als Geschäftsmann jedoch nicht besonders talentiert. Jahrelange Patentprozesse hatten ihn gesundheitlich ausgelaugt. Dennoch berichteten Mitreisende später, Diesel sei guter Laune gewesen, als er abends in seine Kabine gegangen war.
Danach wurde Rudolf Diesel nie wieder gesehen. In dieser Nacht verschwand er von dem Dampfer, der unterwegs war nach London.
Am 10 . Oktober sichtete die Besatzung des holländischen Lotsenboots »Coertsen« eine im Wasser treibende Leiche. Es herrschte so schwerer Seegang, dass es nicht gelang, den Körper zu bergen. Man wurde lediglich einiger Gegenstände aus der Kleidung des Toten habhaft – eines Brillenetuis, eines Portmonees und einer Pastillendose. Eugen Diesel, der Sohn des Erfinders, identifizierte diese Dinge später als Besitztümer seines Vaters.
Die genauen Umstände des Todes oder des Verschwindens von Rudolf Diesel wurden nie geklärt. Bis heute ist der Verdacht nicht verstummt, er sei im Auftrag der gerade an Einfluss gewinnenden Erdölindustrie ermordet worden. Er hatte zu der Zeit an einem für den Betrieb mit Pflanzenöl geeigneten Motor gearbeitet. Nach seinem Tod wurden diese Forschungen eingestellt, und für nahezu den Rest des Jahrhunderts sollte nur der Motor für Dieselöl fossilen Ursprungs weiterentwickelt werden.
Gegenwart
M arkus schreckte hoch. Was? Was? Er war einge schlafen, auf dem Stuhl, einfach so, mit dem Kopf gegen die nackte Wand gelehnt …
Oh, und alles tat ihm weh. Schwindlig war ihm auch. Und die Arme, oh Mann …
Immer noch halb betäubt sah er sich um, versuchte zu begreifen. Wie spät war es? Er hatte keine Ahnung. Da war die Spindelpresse, und … Richtig. Das Öl.
Jetzt, da er das Massaker vor sich sah, fiel ihm alles wieder ein. Der Boden lag voller ausgepresster Kerne. Der Sack war halb leer. Und in dem Glas, in dem er das Öl gesammelt hatte, stand die Flüssigkeit gerade mal zwei Finger hoch.
Er erinnerte sich, wie er irgendwann in Trance geraten war, nur noch: Kurbel linksrum, Reste raus, neue Kerne drauf, Kurbel rechtsrum, rechtsrum, fester, fester, bis ein Tropfen kam oder zwei … Weiter, hatte er sich gesagt, einfach weitermachen. Nicht nachdenken. Nicht zählen. Einfach nur diese Kerne auspressen, mit aller Kraft, nichts drin lassen von dem Zeug.
Und irgendwann hatte er vergessen, was das alles sollte und wozu er das machte.
Er hatte ja keine Vorstellung davon gehabt, wie aufwändig es sein würde. Wie unergiebig diese Ölfrüchte waren. Das war aussichtslos; er würde eine Million Jahre brauchen und die Ernte eines ganzen Jahres, bloß um einmal seinen Tank zu füllen.
Wie viel Abfall das war! Auf geheimnisvolle Weise schien das Zeug mehr geworden zu sein. Es bedeckte den ganzen Boden.
Da, ein Geräusch. Ein Riegel, der zurückgeschoben wurde. Schritte. War etwa schon wieder Tag? Hatte er die ganze Nacht mit all dem hier verbracht?
Das konnte nicht sein. Oder doch? Man sah nichts von hier drin, kein Dunkel, kein Licht.
Er bückte sich, fing hastig an, sauber zu machen. Mit den Händen, weil er nicht an Dinge wie Besen und Schaufel gedacht
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