Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
auf die, die schon im Papierkorb lagen.
Keith schlug die freie Hand vor die Augen, was seine Stirn mit dunkelbraunen Flecken musterte. » Fuck ! Das hätte ich jetzt übersehen, kannst du dir das vorstellen?«
»Zumindest einer von uns beiden sollte im Geschäft bleiben.«
Keith sah sinnend auf die heiklen Unterlagen hinab. »Weißt du«, seufzte er, »ich sollte das alles hier auf der Stelle verbrennen. Würde ich auch machen, wenn ich nicht so ölverschmiert wäre. Aber so … Hmm.«
Markus musterte den Freund, suchte und fand im Blick seiner Augen das schalkhafte Einverständnis. »Du meinst, du würdest mir diese Arbeit gern aufhalsen?«
»Oben im Kamin am besten«, schlug Keith vor und reichte ihm den Stapel, den er schon hatte. »Ich wühl das hier selber durch. Du kannst dir also … Zeit lassen.«
Gegenwart
S ein Gesicht verschwand unter einem neuen Ver band, der noch dicker war als der erste. Er solle sich nicht ins Gesicht fassen, hatte man ihm gesagt, aber er konnte es in manchen Momenten nicht lassen, und dann waren seine Fingerspitzen immer leicht rötlich gefärbt, wenn er sie wieder wegnahm. Man hatte ihm auch gesagt, die Operation sei gut verlaufen, sehr gut sogar. Die Narbe werde später nicht mehr zu sehen sein. So gut wie nicht, jedenfalls.
Aber er spürte sie noch. Eigentlich waren es zwei Narben. Eine verlief schräg über die Stirn und spaltete die rechte Braue; das scharfkantige Metallstück, das sie hervorgerufen hatte, hatte das Auge nur knapp verfehlt. Die andere Narbe zog sich von der Nasenwurzel über die rechte Wange. Noch so ein Fall von Glück im Unglück.
Er spürte ein dumpfes Pochen im Schädel und bildete sich ein, dass es mit der Zeit immer stärker wurde. Er hatte erst jetzt erfahren, dass die Ärzte, die ihn in den USA zusammengeflickt hatten, seine Schädelknochen an einem Dutzend Stellen verschraubt hatten.
Frieder war wieder einmal da. Saß neben seinem Bett und schien sich nichts daraus zu machen, wenn er ab und zu wegdöste. Obwohl er nicht wollte, nein.
»Das wird bestimmt wieder«, sagte Frieder. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
»Ich mache mir keine Sorgen«, erklärte Markus.
»Gut.«
Poch. Poch. Poch. Er konnte die Schwester rufen, um ein Schmerzmittel bitten. An dem Galgen über ihm hing ein … wie nannte man das Gerät eigentlich? Es sah aus wie eine Art Fernbedienung, aber das Wort erschien ihm unpassend.
Außerdem wollte er wach bleiben, nachdenken, sich über Dinge klar werden. Die Mittel, die er kriegen würde, würden ihn schlafen lassen, und dann würde Frieder gehen. Frieder, ja, genau, das wollte er ihn fragen.
»Sag mal, großer Bruder«, setzte er an, »was ich dich fragen wollte …«
»Ja?«
»Was war es, das Vater erfunden hat?«
Frieder hob die Brauen, was bei ihm besagte, dass er völlig überrascht war. Kein Wunder, denn das war ein altes Tabuthema zwischen ihnen beiden. Frieder war der Erstgeborene, der große Sohn, der den Vater immer für seine hohen Ideale verteidigt hatte. Und er, Markus, der Nachkömmling, der ihn immer noch kritisierte, weil er die Familie vernachlässigt hatte. In den langen, stillen Wochen hier hatte Markus angefangen, sich zu fragen, ob die entschieden anti-amerikanische Haltung seines Vaters und dessen Überzeugung, US -Konzerne seien die Wurzel allen Übels auf der Welt, nicht zu einer Art Trotzreaktion bei ihm geführt hatten und er deshalb immer so verbissen dahinterher gewesen war, in die USA zu gelangen und es dort, na ja, zu schaffen .
Frieder räusperte sich und rutschte auf dem Stuhl in eine andere Position. »Ich weiß es nicht«, sagte er dann. »Ich glaube auch nicht, dass wir das je erfahren werden. Jedenfalls ist nichts Neues in der Richtung aufgetaucht.« Er sah ihn an. »Wieso fragst du?«
Ja, wieso fragte er? »Ich musste daran denken.« Das Sprechen fiel ihm noch schwer; der Unterkiefer gehorchte ihm nicht ganz so, wie er es gewohnt war. »Ich habe grade viel Zeit, weißt du? Da sind Erinnerungen aufgetaucht. Wie ich ein Kind war. Wie ich an der Tür zu seinem Labor gelauscht habe, wenn er drinnen gearbeitet hat. Ich höre ihn noch schimpfen; du weißt ja, wie er sich aufregen konnte …«
Frieder nickte. »Ja.«
»Mir ist wieder eingefallen, wie abends oft dicke Luft war, wenn er aus dem Labor kam.« Die Unterlippe kribbelte. Hoffentlich lallte er nicht. »Und dann der Unfall …«
»Unfall? Das war kein Unfall.« Das, was er immer sagte. Im selben Ton wie immer. »Ein
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