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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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gehörte auch die Frau dazu, die für Silvio nachgerückt war, eine mondäne, hoch gewachsene Neapolitanerin, die Maria hieß und die Arbeit mit leichter Hand zu erledigen schien. Einzig Bengt bekam auf den letzten Metern Stress, denn die schwedische Version war als einzige noch nicht von den heimischen Beratern abgesegnet, und mit der Übersetzung der Schulungsunterlagen hatte er so lange getrödelt, dass er es nicht mehr schaffen würde.
    »Ist doch egal, das kann ich ja auch noch zu Hause machen«, erklärte er großspurig, bis ihm Lourdes geradeheraus sagte, er hätte eben nicht so viel Zeitung lesen sollen, anstatt zu arbeiten.
    »Und du willst wirklich bleiben?«, fragte Jean-Marc. Das hatte er schon mindestens ein Dutzend Mal gefragt, und diesmal legte Markus ihm die Hand auf die Schulter und sagte: »Du wirst es nie verstehen, mon ami . Gib es auf.«
    Die anderen gratulierten ihm, luden ihn zu der Abschiedsparty ein, die sie vor dem Abflug im Hotel feiern wollten, und Lourdes sagte: »Ich wünsche dir, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast.«
    Doch dann, am ersten Arbeitstag im Oktober, fand sich morgens ein Rundmail in jedem Posteingang. Mit Wirkung vom ersten Oktober, hieß es darin, sei Richard Nolan in den Vorstand berufen worden. Neuer Leiter der Niederlassung Paradise Valley sei ab sofort John Murray.
    Markus las dieses Mail mit einem Gefühl, als gebe der Boden unter ihm nach.
    Und tatsächlich: Keine zwanzig Minuten später klingelte sein Telefon. Es war Richard Nolans bisherige Sekretärin, dieselbe Frau, die ihn an jenem wonnigen Freitagnachmittag ins Chefbüro bestellt hatte. Nur dass sie diesmal sagte: »Sie sollen bitte umgehend in Mister Murrays Büro kommen.«
    Und nein, er brauche keine Projektunterlagen mitzubringen.
    Murray saß mit gefalteten Händen hinter Nolans altem Schreibtisch, als Markus das Büro betrat. Seinen Baseball, sein Familienfoto und seine Bibel hatte er schon hinter sich aufgebaut, der Rest des Raumes wirkte noch leer und unbewohnt.
    Murray begrüßte ihn knapp, höflich und kühl, gerade so, dass man nichts daran aussetzen konnte. »Wie ist der Stand Ihres Projekts?«, wollte er dann wissen.
    »Fertig, Sir.«
    »Welche Programmversion?«
    »Version LR - 8 . 1 . 23 Build 5DE .«
    »Wie sieht es mit den Unterlagen aus?«
    Markus wagte wieder zu atmen. Vielleicht hatte er sich doch zu viele Sorgen gemacht? »Die Unterlagen sind komplett übersetzt, von unseren Beratern in Deutschland, Österreich und der Schweiz gegengeprüft und genehmigt. Das Handbuch ist bereits in Druck, die Schulungsunterlagen sollen, wenn ich mich recht entsinne, nächste Woche in Druck gehen.«
    Murray nickte. Er sagte nicht »Gut« oder dergleichen, er nahm es zur Kenntnis. Dann saß er einen Moment da – oder vielleicht auch eine Stunde oder hundert Jahre, das hätte Markus später nicht mit Gewissheit sagen können –, um sich schließlich zu räuspern und zu sagen: »Mister Westermann « – es war unüberhörbar, wie er das betonte – »Mister Nolan hat Ihnen das Angebot gemacht, nach Abschluss des Lokalisierungsprojekts hier in der Zentrale zu bleiben.«
    Jetzt. Jetzt ging es zur Sache.
    »Ja«, sagte Markus. Sagte er es? Oder dachte er es nur?
    »Ich ziehe dieses Angebot hiermit zurück«, fuhr Murray kühl fort. »Aus zwei Gründen. Erstens, weil die Chemie zwischen uns nicht stimmt. Ich misstraue Ihnen; Sie wissen, warum. Zweitens, weil ich denke, dass den Interessen der Firma am besten gedient ist, wenn der Spezialist für eine Landesversion in dem betreffenden Land weiterhin zur Verfügung steht. Das war seit eh und je die Politik unseres Hauses. Eine Politik, die sich bewährt hat, wie ich finde.«
    Markus nickte nur. Auf einmal war ihm klar, dass er seit dem Mail mit nichts anderem gerechnet hatte. Zu seiner eigenen Verwunderung fühlte er nichts, nicht einmal Enttäuschung.
    Murray zog eine Schublade auf. »Ich lege Wert auf korrektes Verhalten, wie Sie wissen. Dazu gehört auch die korrekte Abrechnung auf beiden Seiten.« Er brachte ein Blatt voller Zahlen zum Vorschein, betrachtete es. »Sie haben in den vergangenen Monaten eine atemberaubende Menge an Überstunden angehäuft. Ich möchte, dass Sie die noch rechtzeitig abbauen, ehe Sie nach Europa zurückkehren.«
    Markus starrte ihn an. »Sir?«, hörte er sich sagen. Er hatte keine Vorstellung, was Murray damit meinen mochte. Er hatte auch keine Vorstellung, von wie vielen Überstunden die Rede war; er hatte nicht

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