Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
die auch weg? Wieso jetzt das? Es kommt doch immer ein Ungschirr zum anderen …«
Irgendwie fühlte sich Markus verpflichtet, den Mann da nicht sitzen zu lassen. Er stand auf, ging hinüber, stellte sich vor und sagte: »Ich bin sowieso auf dem Weg Richtung Chicago. Ich kann Sie mitnehmen und dort absetzen, wenn Ihnen das hilft.«
Der Mann sah ihn zuerst misstrauisch an, dann nickte er so ein Was-bleibt-mir-anderes-übrig- Nicken und erklärte, sein Name sei Karl Walter Block, er käme aus der Nähe von Steyr in Oberösterreich und sei von der Universität Chicago für einen Vortrag eingeladen worden.
»Und dann bin ich auf die Seife g’stiegen mit der Fluggesellschaft. Wien-Chicago hat es geheißen, aber der Flieger ist schon nicht in Wien am Flughafen abgegangen, sondern zweihundert Kilometer weit draußen auf dem Land, und hier ist es dasselbe. Mit dem Fliegen heutzutage, ich sag’s Ihnen, wenn man da nicht aufpasst wie ein Haftelmacher …«
So fuhren sie zu zweit weiter. Natürlich konnte es nicht ausbleiben, dass sie einander ihre Lebensgeschichten erzählten, und da der Mann aus Steyr weit über sechzig war und damit fast vierzig Jahre älter als Markus, lief es darauf hinaus, dass er die meiste Zeit redete.
Kapitel 11
Fünfundvierzig Jahre zuvor
K arl Walter Block war der einzige Sohn von Irmgard Block, geborene Mucek, und Heinrich Maria Block, der im Krieg Hauptmann gewesen war und in Berlin in einem wichtigen geheimen Amt tätig, bis er auf Hitlers Anordnung und aus Gründen, die nie jemand erfahren hatte, unehrenhaft entlassen und zurück nach Oberösterreich geschickt worden war, wo ihm nichts anderes blieb, als sich den Rest seines Lebens von früh bis spät auf dem von seinen Eltern ererbten Bauernhof abzurackern, dessen steinige Felder nie genug zum Leben abwarfen. Seine Wut über dieses Schicksal ließ er bei jeder Gelegenheit an seinem Sohn aus. Er schlug ihn, wenn er nicht gehorchte oder nicht schnell genug gehorchte oder etwas falsch machte oder einfach, weil ihm danach war. Er nannte ihn dumm und lebensuntüchtig, und er nannte ihn schwach, was, wie sich bald zeigte, nicht stimmte, denn Karl Walter wuchs überraschend schnell heran und entwickelte sich zu einem zähen, drahtigen Jungen, der mit anpacken konnte und stark genug wurde, dass sein Vater es ab einem gewissen Zeitpunkt bei Schmähungen beließ.
Karl Walter gehorchte seinem Vater, hasste ihn aber und schwor sich Rache. Seine Mutter, die ihn nie gegen den Vater in Schutz genommen hatte, verachtete er nur. Sie haderte mit ihrem eigenen Schicksal, an diesen grässlichen Mann gebunden zu sein, und obwohl sie nie etwas Entsprechendes sagte, war Karl Walter überzeugt, dass sie seiner Existenz zumindest eine Mitschuld daran gab.
In der Schule hätte Karl Walter Block gern die Leistungen erbracht, die die Lehrer verlangten, aber das gelang ihm aus einer Reihe von Gründen nicht. Einer davon war, dass er tatsächlich nicht für das Lernen aus Büchern taugte: Er konnte einem Handwerker zusehen und es dann genauso gut machen wie jener oder sogar besser, und was immer ihm jemand an Praktischem zeigte, vergaß er nie wieder – doch das Papier und die Bücher, das war nicht seine Welt.
Weitere Gründe waren, dass er auf dem Hof kräftig mit anpacken musste und oft nicht dazu kam, seine Hausaufgaben zu erledigen; ja, oft war er morgens in der Schule so knochenmüde, dass er Mühe hatte, überhaupt wach zu bleiben. Von allen Mitschülern kam er am ärmlichsten gekleidet an, was die meisten Lehrer veranlasste, sich mit ihm keine sonderliche Mühe zu geben. Dass er dem Spott und den Hänseleien seiner Mitschüler oft nur mit der Faust zu begegnen wusste, trug ihm zusätzliche schlechte Noten, Strafarbeiten und bisweilen Nachsitzen ein, was wiederum Prügel von seinem Vater nach sich zog.
Eines Tages, kurz nach seinem fünfzehnten Geburtstag, beschloss er, dass es nun genug war. In den frühen Morgenstunden packte er kalt entschlossen statt der Schulsachen ein paar Kleider in seinen Ranzen, dazu alles Geld, das er sich insgeheim mühsam zusammengespart hatte, und verließ sein Elternhaus, um fast drei Jahrzehnte lang nicht wiederzukehren, auch nicht zum Begräbnis seiner Mutter. Nicht einmal feucht wurden seine Augen, während er davonging, und er sah sich kein einziges Mal um.
Fernab von zu Hause kam Karl Walter Block besser zurecht, als er befürchtet hatte. Er war zu jeder Arbeit, auch zu jeder Straftat bereit gewesen, um nicht mehr
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