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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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spotteten, auf gemeine, hasserfüllte Weise. Einer schlug vor, sie sollten dem amrikani die Eier abschneiden, worauf ein anderer meinte, warum nicht gleich den Kopf? Doch dann taten sie weder das eine noch das andere, sondern gingen ihrer Wege.
    Taggard hatte keine Angst. Seine Angst war ihm irgendwie zusammen mit seiner Familie abhanden gekommen. Er wollte nur noch verstehen.
    Aber er verstand nicht. Warum dieser Hass? Saudi-Arabien verdankte den USA seinen Reichtum und seine staatliche Unabhängigkeit. Die saudischen Bürger liebten ganz offensichtlich die Dinge, die die amerikanische Wirtschaft in alle Welt lieferte. Was für einen Grund hatten sie, die Amerikaner so inbrünstig zu hassen?
    Er verstand es nicht. Dabei hatte er in diesem Moment, in der glühenden Hitze mitten in Riyadh stehend, das Gefühl, dass die Antwort zum Greifen nahe lag. Es gelang ihm nur nicht, sie zu fassen.
    Markus war außer Stande, den anderen etwas davon zu sagen. Er verbrachte den Rest des Tages in einem seltsam zeitlosen Schockzustand, an seinem Schreibtisch sitzend, und spielte geistesabwesend endlos viele Partien der üblichen Computerspiele. Abends, als die anderen vom Team weg waren, räumte er seinen Schreibtisch aus und fuhr nach Hause. Die Betäubung ließ nach; es begann, wehzutun.
    Aber nein, er würde sich nicht unterkriegen lassen. Zwei Wochen Urlaub? War doch klasse. Eine Chance. Man musste immer in Chancen denken. Er würde diese Chance nutzen, um wenigstens noch ein klein wenig von dem Land seiner Träume zu sehen. Er würde eine kleine Rundfahrt machen, jawohl.
    Er fuhr gleich weiter in einen Supermarkt und besorgte sich einen Atlas, über dem er den Rest des Abends brütete. Er addierte Meilenangaben, versuchte, sie nicht in Kilometer umzudenken, sondern sich das Denken in Meilen anzugewöhnen, und merkte wieder einmal, dass ihm immer noch nicht klar war, wie groß dieses Land war, welch ungeheure Ausdehnung da vor ihm lag, was der Begriff Weite wirklich bedeutete. Er verlor sich auf dieser Karte, fuhr mit dem Finger Distanzen ab, die Tagesreisen entsprachen, las Ortsnamen, denen ein Zauber innezuwohnen schien, und vergaß, was ihm geschehen war. Im Gegenteil, nein, er konnte sich überhaupt nicht mehr wegdenken aus diesem kolossalen Land. Als er weit nach Mitternacht endlich ins Bett ging, brannte es in ihm. Eines Tages, eines Tages würde er hier leben. Dies war nur ein Rückschlag, keine Niederlage. Solange er nicht aufgab, konnte es keine Niederlage geben.
    Am nächsten Morgen packte er und brach auf, mehr oder weniger aufs Geratewohl, fuhr in westliche Richtung und beschloss auf halber Strecke zwischen Bloomsburg und Milton, zu den Großen Seen hinaufzufahren. Keine Sehenswürdigkeiten, bitte. Er war kein Tourist. Er war ein künftiger Einwohner dieses Landes, das unbegrenzte Möglichkeiten verhieß.
    Vor allem aber wollte er erst einmal fahren. Es tat gut, einfach unterwegs zu sein, Stunde um Stunde um Stunde einfach nur zu rollen. Die Radiosender wechselten, die Musik blieb weitgehend gleich. Die Namen und Ziffern auf den Hinweisschildern wechselten, die Landschaft dagegen änderte sich nur unmerklich.
    Er kam in Staus, dann wieder war er allein auf weiter Flur. Er sah hässliche Industrieanlagen, aus denen öliger, fetter Rauch in den Himmel stieg, dann wieder sah er verträumte, friedlich in sanfte Hügel gebettete Dörfer, grasendes Vieh, spielende Kinder. Er sah einen monströsen Mähdrescher, der sich einsam durch ein letztes, vergessenes Feld Mais fraß, die braunen Pflanzenstängel abriss, verschluckte und die unverwertbaren Anteile bündelweise wieder ausschied. Was für ein Aufwand , ging es ihm durch den Kopf. Wenn man überlegte, wie wenig von so einer Maispflanze man essen konnte – jede Pflanze trug nur eine Hand voll Kolben, und auch an den Kolben waren es ja nur die Körner, die essbar waren –, dann war es geradezu ein Mirakel, dass eine Dose davon nachher für weniger als fünfzig Cent im Laden zu kaufen war.
    Die Welt war voller Wunder, wenn man nur genau hinschaute.
    Er fuhr bis ans westlichste Ende des westlichsten der Großen Seen, des Lake Superior, fand ein hübsches kleines Hotel in der Nähe von Washburn an der Chequamegon Bay und verbrachte dort ein paar herrliche Tage, zum Sonderpreis auch noch, weil längst Nachsaison war. Es war kühl und windig, und die Luft roch nach dem Rauch von Lagerfeuern. Die Bäume warfen ihm gelbes und braunes Laub hin, das unter seinen Schuhen

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