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Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Titel: Ausgeflittert (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frieda Lamberti
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der Fahrt an seiner Krawatte herum, bis sich der Knoten endlich lockert und er das überteuerte Seidending über den Kopf ziehen kann und es im hohen Bogen auf den Rücksitz wirft. »Das Teil schnürt mir die ganze Luft ab«, schimpft er. In so einer Stimmung habe ich ihn zuvor noch nie erlebt. Er ist sichtlich aufgewühlt und atmet unregelmäßig und laut.
   »Soll ich fahren?«, biete ich an, aber Tobias lehnt ab. Kurz darauf lenkt er den Wagen rechts ran und schlägt mit seinen Händen drei Mal auf das Lenkrad.
   »Der ganze alte Mist kommt wieder hoch. Es war eine blöde Idee, hierher zu kommen. Marie, lass uns zurück fahren. Das Testament interessiert mich nicht. Ich hätte das Erbe sowieso ausgeschlagen.«
   »Dann lass uns fahren«, sage ich und drücke seine Hand. Dankbar darüber, dass ich keine Diskussion anfange, setzt er die Fahrt fort. Mit der Abendmaschine kommen wir in Nizza an. Ich räume ihm stillschweigend zwei Tage ein. Würde er bis dahin nicht freiwillig reden, werde ich ihn nach seiner Vergangenheit befragen.

Odette arbeitet wieder. Sie darf Cecile die obligatorische Packung auftragen. Die betrogene Ehefrau genießt es, die Ahnungslose zu spielen und Odette nach Strich und Faden vorzuführen.
   »Sind Sie verheiratet, Kindchen? Mein Mann betrügt mich schon seit Wochen. Er hat sich in diesem Sommer wieder eine junge Gespielin zugelegt. Ich habe die Scheidung eingereicht. Demnächst wird er unter der Brücke schlafen müssen. Denn Geld bekommt er keins von mir. Wir haben einen Ehevertrag. Daran sollten sie auch immer denken, wenn sie mal heiraten wollen.« Die Saison ist vorbei und Odette hat ihr Ziel verfehlt. Sie hat zwar gutes Geld mit wenig Arbeit verdient, aber ihren Millionär muss sie weiter suchen. Ich biete Frank an, sich im nächsten Jahr wieder zu melden. Ihn würde ich jederzeit gern wieder beschäftigen. Zusammen mit Tobias räume ich die restliche Ware zusammen und schließe das Geschäft. Fünf Monate Winterpause liegen nun vor uns.

Ich nehme mir vor, Tobi nun endlich zu befragen. Nachdem ich Clara in die Schule gebracht habe, spreche ich ihn in aller Ruhe an.
   »Wer sind Timo und Marita Winter?«
   »Seine Kinder aus der DDR.«
   »Deine Geschwister oder deine Halbgeschwister?« Erschrocken sieht er auf. Ich bettele ihn an, mir doch endlich reinen Wein einzuschenken. Aber er bleibt stumm.
   »Wie kann es sein, dass ihr die gleichen Eltern habt, wenn du im Westen aufgewachsen bist und die anderen beiden im Osten groß geworden sind? Das war doch noch alles vor Öffnung der Mauer. Warum kannst du deinem Vater nicht verzeihen? Er ist ein alter, gebrechlicher und schwerkranker Mann. Weshalb bist du nie wieder nach Lübeck zurück gegangen? Warum willst du das Erbe nicht antreten?«
   »Weil ich achtzehn Jahre lang mit einer Lüge gelebt habe. Die Frau, die ich beerdigt hatte, war nicht meine Mutter. Sie war die ehemalige Sekretärin meines Vaters. Er hatte sie nur geheiratet, damit sie mich groß zieht und ich den Namen Martin tragen konnte. Mein eigener Vater hat mich im Alter von einem Jahr meiner leiblichen Mutter weggenommen. In einem Messecontainer hat er mich in die BRD geschmuggelt, weil er in Lübeck einen Stammhalter für seine Scheiß Firma brauchte. Meine leibliche Mutter kam deshalb hochschwanger in den berüchtigten Frauenknast Schloss Hoheneck. Man hatte ihr vorgeworfen, mich getötet zu haben. Timo kam ins Heim. Marita auch gleich nach ihrer Geburt.« Ich bin schockiert und will wissen, ob seine leibliche Mutter noch lebt. Tobi schüttelt den Kopf.
   »Sie starb 1978. Ich habe sie nicht mehr kennenlernen können.« Berta hatte ihm das Geheimnis an seinem achtzehnten Geburtstag verraten. Daraufhin kam es zum endgültigen Bruch mit seinem Vater.
   »Hattest du Kontakt zu deinen Geschwistern?«
   »Ich habe sie in der letzten Woche das erste Mal gesehen. Wenn es nach mir geht, auch das letzte Mal. Ich will den Mist nicht ständig mit mir herumtragen. Die letzten Jahre mit dir habe ich nicht einmal daran denken müssen. Erst als ich mit Clara weg war und sie solches Heimweh nach dir hatte, da kamen die Gedanken wieder zurück. Sie sollte nicht mit einer Lüge groß werden. Deshalb habe ich ihr von Birgit erzählt.« Ich verstehe nun, warum Tobias keinen Kontakt zu seinem Vater will. Bestürzt über seine Worte nehme ich ihn in den Arm. Ich habe noch so viele Fragen, aber ich stelle sie nicht.
   »Marie ich bin so

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