Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Junior den Kopf. Danach verlasse ich wortlos sein Büro. Ich hatte meinen Auftritt und bin mir sicher, dass mein Vorgehen binnen kürzester Zeit der Geschäftsleitung gemeldet wird. Sarah kommt mir mit großen Schritten auf dem Weg ins Studio Eins entgegen.
»Du wirst im ganzen Haus gesucht. Wir sollen zur Geschäftsführung kommen. Was hast du gemacht? Hier herrscht ja eine Luft wie vor einem starken Gewitter.«
»Dann komm! Ich werde es jetzt blitzen und donnern lassen.« Die Chefsekretärin erwartet uns am Fahrstuhl. Mit ihrem Schlüssel fahren wir in den hermetisch abgeschlossenen Bereich in die sechste Etage. Nach all den Jahren betrete ich das erste Mal den heiligen Boden der Geschäftsführung. Mit den Worten: »Herr Clausen erwartet Sie«, werden wir direkt in sein Büro geführt. Clausen ist Anzug- und Brillenträger. Ich schätze sein Alter auf Mitte fünfzig. Nach der Begrüßung und gegenseitigem Händeschütteln sieht er mich fragend an.
»Versteckt man Sie hier, weil sie den Altersdurchschnitt Ihrer eigenen Truppe versauen?«, frage ich frech.
»Ich habe schon gehört, dass Sie Probleme mit Ihrem neuen Bereichsleiter haben.«
»Ich habe keine Probleme mit dem neuen Sander. Ich kenne ihn ja gar nicht. Und bei Ihrer hire and fire Methode, bleibt mir ja auch nie genügend Zeit, jemanden kennenzulernen. Es missfällt mir, wie Sie mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern umgehen. Wenn das so weiter geht, rekrutieren Sie Ihre Manager demnächst auf dem Pausenhof einer Grundschule.« Ich beschwere mich über den mangelnden Respekt, der mir und Sarah entgegengebracht wird.
»Eine Omi bin ich für meine Enkelkinder. Für Ihre Kabelträger bin ich Frau Simon. Und für Sie, Herr Clausen, bin ich das umsatzstärkste Pferd im Stall. Ich erwarte, dass Sie mir Mitarbeiter zuteilen, die mit mir auf Augenhöhe zusammen arbeiten. Was ist das mit euch Teleshoppern? Ihr verkauft eure Produkte an Menschen ab fünfzig. Aber beschäftigen wollt ihr Leute dieses Alters nicht. Denken Sie mal drüber nach!« Ich lasse Clausen wortlos zurück. Ich habe noch genau zwanzig Minuten bis zur Sendung Zeit. Zwischen den Pausen fragt Sarah, ob ich schon die Vereinbarung für das kommende Jahr unterzeichnet habe.
»Nein«, sage ich und weiß auch nicht, ob ich unter diesen Bedingungen noch ein weiteres Jahr für diesen Clausen tätig sein will.
Tobias steht unter Zeitdruck. Für die anstehende Ausstellung müssen noch vier weitere Bilder gefertigt werden. Ich bekomme meinen Liebsten kaum noch zu Gesicht. Er arbeitet die Nächte durch und kommt nur kurz ins Haus um eine Kleinigkeit zu essen. Wenn ich in den Ort fahre, um einzukaufen, stoße ich überall auf Plakate, die für die Ausstellung in Nizza werben.
»Hallo Mató«, rufen Isabelle und Robert zu mir rüber. Sie sitzen mit Freunden und Bekannten am großen Stammtisch im Restaurant René und winken mich zu sich. Ich lasse mich auf einen Kaffee und ein Wasser überreden. Die Freunde versprechen, alle zur Ausstellungseröffnung zu kommen. Ich erzähle Robert, dass Steffen nun endlich die Scheidungspapiere unterzeichnen will.
»Nach dem Verkauf des Hauses will ich ein Atelier an das Haus anbauen lassen. Tobi soll nicht länger in der Garage werkeln müssen.«
»Nobel«, kommentiert Robert meine Absichten. Die Idee scheint ihm nicht zu gefallen. Verständnisvoll streichele ich den Arm meines Nachbarn.
»Wir bauen nicht im Sommer. Der Lärm wird sich in Grenzen halten. Versprochen!«
Meinen Wagen kann ich nicht auf das Grundstück fahren. Ein großer Transporter versperrt die Zufahrt. Tobias und der Fahrer laden die in Decken verpackten Bilder ein und eine junge Mitarbeiterin der Galerie Frombert notiert jedes Bild mit einer Zahl auf ihrer Liste.
»Das ist Anna«, stellt er die junge Frau vor.
»Sie sind bestimmt Marie. Das Ma in Mató «, lacht die freundliche Frau. Anna stellt sich als begeisterter Fan seiner Arbeiten vor. Ursprünglich kommt sie aus Wiesbaden und arbeitet schon sechs Jahre für den Galeristen in Paris, Nizza und New York. Sie verlässt den Künstler gemeinsam mit dem Bildertransport und Tobi und ich atmen beide tief durch.
»Geschafft«, sagt er müde. Jetzt heißt es warten.
Nachdem er fast zwei Tage durchschlief steigert sich seine Nervosität ins Unermessliche. Er kommt schon nach einer halben Stunde wieder vom Surfen zurück. Er kocht und backt. Dazwischen fährt er nach Nizza und
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