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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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seiner langen Karriere als Ausbrecherkönig dürfte der heutige Abend einen besonderen Stellenwert einnehmen. Lu möchte den Moment offenbar genießen.
    Etwas später hocke ich in Phils halbgeöffneter Aktentasche und schwebe einen Meter über dem Asphalt, während mir die Abendsonne ins Gesicht scheint. Die Welt hat mich zurück. Ein großartiges Gefühl. Wenn ich könnte, würde ich ein Liedchen pfeifen.
    Lu und seine Leidensgenossen haben geschlossen die Flucht angetreten. Selbst der apathisch wirkende Bonobo ist den Ausreißern gefolgt. Sie werden die Nacht in einem der umliegenden Parks verbringen. Von dort aus wollen die Tiere sich einzeln oder in Splittertrupps in ihre Heimatländer durchschlagen. Die meisten zumindest. Einige spekulieren darauf, sich in Zoos oder Freizeitparks unerkannt unter die bereits bestehenden Populationen zu mischen.
    Der Ladenbesitzer hat angesichts seiner flüchtenden Schmuggelware geweint wie ein Schlosshund. Phil vermutet, dass ihm heute ein hübsches Vermögen abgehauen ist.
    »Du musst einen mordsmäßigen Kater gehabt haben«, sage ich.
    »Allerdings«, brummt Phil.
    »Nett von dir, dass du trotzdem heute was getrunken hast. Ich dachte eben schon für einen kurzen Moment, du könntest mich nicht verstehen.«
    Phil hält inne und sieht mich verblüfft an.
    »Was ist los?«, will ich wissen.
    »Ich habe heute tatsächlich noch nichts getrunken«, erwidert er.
    »Das ist … cool«, sage ich. »Aber irgendwie auch ziemlich leichtsinnig. Stell dir vor, du hättest mich wirklich nicht verstanden.«
    »Tja«, lächelt Phil. »Sieht ganz so aus, als könnten wir uns ab jetzt auch nüchtern miteinander unterhalten.«
    »Wie hast du mich überhaupt gefunden?«
    »Pures Glück. Ich hab einfach alles in der Gegend abgeklappert, was irgendwie mit Tieren zu tun hat. Manchmal ist unser Job eben reine Fleißarbeit.«
    »Danke jedenfalls, dass du mich da rausgeholt hast.«
    »Nichts zu danken. Ich denke, wir sind Partner.«
    »Das dachte ich auch«, erwidere ich zerknirscht. »Aber nachdem ich Beas Spur verloren habe …«
    »Du hast Bea gesehen?«, fällt Phil mir ins Wort.
    »Ich habe sie gesehen, verfolgt, und dann ist sie mir leider entwischt«, fasse ich zusammen. »Tolle Detektivarbeit, oder? Ich habe unsere einzige heiße Spur verloren.«
    Phil schweigt einen Moment. Er scheint zu überlegen. »Und wo hast du sie gesehen?«
    »Vor deiner Wohnung. Sie kam aus diesem Laden gleich gegenüber. Der mit dem bunten Schaufenster und der Neonschrift.«
    »Das ist eine Apotheke. Eine 24 -Stunden-Apotheke.«
    »Schon möglich«, antworte ich teilnahmslos.
    Phil wechselt die Straßenseite und biegt dann links ab. »Mag ja sein, dass du Bea verloren hast. Eine heiße Spur haben wir aber trotzdem.«
    Schlagartig verstehe ich. »Du meinst, Bea hat in dieser Apotheke Medikamente gekauft, um den verletzten Hanno von Sieversdorf zu verarzten?«
    »Genau das werden wir jetzt herausfinden«, erwidert Phil.

Kapitel 16
    Die Apothekerin hat Haare auf den Zähnen und sieht es außerdem überhaupt nicht ein, irgendeinem dahergelaufenen Detektiv Informationen über ihre Kunden zu geben. Phil versucht es zunächst mit Charme, beißt jedoch auf Granit. Erst als er der Dame im weißen Kittel subtil mit der Polizei droht, ist diese bereit, das Computersystem nach Beas Einkäufen zu durchforsten. Es stellt sich heraus, dass die beiden Taschen, mit denen ich Bea gestern gesehen habe, größtenteils mit Verbandszeug gefüllt waren. Außerdem hat Bea Schmerzmittel und ein Vitaminpräparat gekauft.
    »Hanno von Sieversdorf ist also noch am Leben«, stelle ich fest, als wir wieder auf der Straße sind.
    »Sieht so aus«, erwidert Phil. »Fragt sich nur, warum Bea sich die Mühe macht, ihn gesund zu pflegen.«
    »Ganz einfach. Sie weiß, dass sie nur dann Lösegeld für von Sieversdorf bekommt, wenn er am Leben ist. Wahrscheinlich ringt der alte Mann gerade mit dem Tod. Deswegen hat Bea sich auch noch nicht bei unserer Klientin gemeldet.«
    »Ach, jetzt ist Constanze schon UNSERE Klientin.«
    »Sei froh, dass du einen kompetenten Partner hast, der den professionellen Abstand zu UNSEREN Klienten wahrt.«
    Phil muss grinsen. »Ich glaube trotzdem nicht, dass es Hanno von Sieversdorf schlechtgeht«, sagt er nach kurzem Überlegen. »Bea hat rezeptfreie Schmerzmittel gekauft. Die helfen nicht bei schweren Verletzungen. Und man würde wohl auch nicht versuchen, einen Sterbenden mit Vitaminpillen auf die Beine zu bringen,

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