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Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Titel: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Burchardt
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Laufe der Jahrtausende lösen sich darin viele Generationen von Pflanzen ab und lassen eine Humusschicht anwachsen, die von den auf ihr siedelnden Pflanzen festgehalten und vermehrt wird. Die Humusschicht ist komplex aufgebaut, darunter verwittern und bilden sich verschiedene Bodenhorizonte. Mineralische Substanz und organisches Material werden immer mehr vermischt, der auf dem Boden stehende Wald durchwurzelt das alles. Aus den Schichten können die Bäume ziehen, was sie brauchen, und sie geben ab, was der Boden braucht. Der Boden speichert Wasser und Nährstoffe. Insbesondere die einzige mobile, pflanzenverfügbare Form des Stickstoffs: Nitrat. Waldboden enthält immer ausreichend Nitratsalze, ohne die die Bäume nicht leben könnten.
    Dieses Ökosystem Wald ist erstaunlich stabil. Wald bildet ein Mikroklima und erhält sich selbst über die Jahrtausende, kann sich flexibel an Klimaveränderungen anpassen und übersteht Feuer, Stürme, Wetterextreme und was man sich sonst noch an Naturgewalten vorstellen kann. Wälder sind das produktivste und für das Weltklima wichtigste Ökosystem der Erde. Ihr Artenreichtum inklusive der in ihnen beheimateten Fauna ist unermesslich wertvoll. Welch ein Schatz!
    Die schnellste Art, Profit aus einem Wald zu ziehen, ist der Kahlschlag. Egal wie der Wald komplett entfernt wird, sobald die Pflanzendecke weg ist, gehen sofort Nährstoffe verloren. Der nächste Regen wäscht das Nitrat ins Grundwasser aus. Sonne und Wind greifen mit voller Wucht an und trocknen die oberste Schicht des Bodens aus, was ihn sandig und damit leicht angreifbar macht: Ein kleiner Sturm – und der Boden macht sich auf den Luftweg; ein starker Regen – und der Boden begibt sich auf Wanderschaft in Richtung Meer.
    Auch die Zusammensetzung des Bodens ändert sich schlagartig. Die Pilze, also die Symbionten der Bäume, und die ganze restliche Mikrofauna, all die Kleinstlebewesen, die den Boden recyceln, verenden. Der Boden zerfällt immer schneller und wird durch Regenwasser und Wind abgetragen.
    Wenn die Erosion den Wettlauf gegen die Neubesiedelung gewinnt, kehrt der Boden nach kürzester Zeit wieder in den Zustand vor der Ankunft des Vogelkothäufchens zurück: Silizium und Sauerstoff, also Quarz, Feldspat und Glimmer, fein gemahlen. Oder anders gesagt: Sandwüste.
    Wirtschaftswüsten

    Wer kurzfristig das Maximale aus einem komplexen System herausziehen will, zerstört das System und schafft eine Wüste. Das ist auch in der Wirtschaft so. Deshalb sind hohe Renditen gefährlich.
    Rendite ist definitionsgemäß Gewinn pro Zeit. Sie wird dementsprechend meistens in X Prozent pro Jahr angegeben. Die Prozentzahl bezieht sich dabei entweder auf das in dem Jahr eingesetzte Kapital oder auf den Jahresumsatz. Wenn ein Unternehmen also ein und denselben Gewinn in kürzerer Zeit erzielt als sein Konkurrent, ist es rentabler. Deshalb erzeugt die Forderung nach hohen Renditen zwangsläufig einen Fokus auf die Zeit. Das führt im Innern der Wirtschaft zu zwei Ausprägungen: erstens zur Kultur der Temposteigerung und zweitens zur Kultur des Kurzfristdenkens.
    Es gibt heutzutage fast keine Aktionäre mehr, die langfristig denken und von einer Investition in ein Unternehmen fordern, dass sie hundert Jahre lang jedes Jahr eine bestimmte Rendite abwirft. Kurzfristig lassen sich fast immer deutlich höhere Renditen erzielen, aber nicht auf Dauer. Bricht das Unternehmen ein, nachdem man die Jahresrendite maximiert hat, kann man die Aktien ja einfach abstoßen und andere kaufen. Die Kunst ist dabei lediglich, rechtzeitig zu verkaufen, bevor die Geldanlage kaputtgeht. Und dann? Nach mir die Sintflut!
    Um die Rendite zu erhöhen, muss man in einem Unternehmen nur das Tempo aller Prozesse steigern und das Unternehmen auf Gewinnmaximierung ausrichten. Ein Unternehmen ist aber wie ein Baum, und eine Branche ist wie ein Wald. Der Mutterboden, auf dem das Geschäft gedeiht, ist das komplexe Geflecht aus Kundenbeziehungen, Lieferantenbeziehungen, Branchenkultur, Reputation, Nachwuchs und Ausbildung, gelebten Werten, Fairness, Partnerschaft, Know-how und zig anderen kleinen Dingen, die sich über Jahrzehnte herausbilden. Die Schwierigkeit an diesen Beziehungen und Werten: Man kann man sie nicht messen und wägen wie die Warenströme oder den Geldfluss durch dieses Ökosystem.
    Das Geld, das sind die Nährstoffe der Unternehmen. Ohne Geld, das in seinen Kapillaren zirkuliert, kann sich ein Unternehmen nicht refinanzieren und erneuern, es

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