Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
die Kontrolle mit einem Trick erzwingen. Lückenlos. Was für eine ätzende Haltung gegenüber den Mitarbeitern! Und was für eine Einstellung gegenüber den potenziellen Dieben! Äh, den Kunden, meine ich …
Diese Kultur der feigen Kontrolle zieht sich durch: Hinter den Kassen an der Seite entdeckte ich einen großen Spiegel. Jawohl, der Spiegel ist von der Rückseite her durchsichtig, ein Einwegspiegel, und dahinter befindet sich das Büro des Filialleiters, der auf diese Weise den Kassenbereich kontrollieren kann, ohne dabei selbst gesehen zu werden. Was für ein abstoßendes Menschenbild – und das alles im Zeichen der Zahlenfixierung.
Wir haben uns schon so daran gewöhnt, dass im Einzelhandel der Fluch der niedrigen Kosten um sich greift, dass wir die Folgen dessen gar nicht mehr bemerken. Schauen Sie sich mal ganz bewusst in einem typischen Supermarkt um. Schauen Sie mal im Eingangsbereich in die Ecken. Luchsen Sie mal unter oder hinter die Regale, linsen Sie mal an die Decke, dorthin, wo sonst niemand hinschaut. Was Sie sehen werden: Supermärkte sind überwiegend siffig, abstoßend, ungepflegt, schmutzig, klebrig, voller Spinnweben, Unrat, Dreck, Scherben. In einem durchschnittlichen Lebensmittelmarkt könnte man nie und nimmer Mode verkaufen, in einer modernen Autowerkstatt ist es meistens sauberer. Viele Verkaufsräume der Supermärkte wären für fast jede andere Branche inakzeptabel. Wahre Kauf-Notdurftanstalten sind das. Und da besorgen wir uns unsere Lebensmittel!
Man kann es den Managern und Filialleitern nicht mal übel nehmen. Sie haben einfach kein Geld für schöne und saubere Räume. Alle Arbeitsplätze im Handel und alle Ladengeschäfte sind ausgebeint, abgenagt, leergesaugt – eben jahrzehntelang kostenoptimiert.
Die Frage ist nur: Wo landet all das Geld, das aus dem System abgesaugt wird? In der Biologie landet die gestohlene Energie beim Parasiten. Wer aber sind die Parasiten in der Wirtschaft?
Die Antwort bekommen wir, wenn wir die Kette weiterverfolgen: Ihren Anfang bilden der Fluch des billigen Preises und der Fluch der niedrigen Kosten. Und der Fluch der niedrigen Kosten ist die Folge des Fluches der hohen Renditen …
»So ist erst recht der Wucher hassenswert,
der aus dem Gelde selbst den Erwerb zieht
und nicht aus dem, wofür das Geld da ist.«
Aristoteles
Kapitel 3
So ist halt die Wirtschaft …
Der Fluch der hohen Renditen
Die feste Erdkruste umschließt die heiße, flüssige bis zähflüssige Erdkugel wie die Schale den Bratapfel – was in Bezug auf die Dicke von Schale bzw. Kruste sogar eine recht genaue Analogie ist. Die Erdkruste besteht aus chemischer Sicht zu einem großen Teil aus Sauerstoff und Silizium, die sich vorzugsweise nach dem Schlüssel zwei zu eins verbünden und dabei gerne noch andere Elemente involvieren, um sich gemeinsam als Feldspat, Quarz oder Glimmer zu outen. Zusammengebacken, aufgeschmolzen, verwandelt, durchgewalkt und abgekühlt liegen diese Minerale als Granit oder Gneis zu unseren Füßen und bilden das Grundgestein der Kontinente.
Böden sind komplex. Außer den beiden chemischen Grundzutaten Sauerstoff und Silizium finden wir in den Grundgesteinen in kleineren Mengen auch fast alle anderen chemischen Elemente, die das Periodensystem so zu bieten hat. Wenn dann Wind, Wasser und Temperaturunterschiede an der Oberfläche den Granit und den Gneis aufsprengen und verwittern, entstehen dadurch sehr reichhaltige Formen von Sedimenten. Die Inhaltsstoffe dieser Sande wechseln im Laufe der Zeit dann das Fachgebiet, nämlich von der Geologie zur Botanik, denn sie dienen der Pflanzenwelt als Nährstoffe.
Lassen wir etwas Lebendiges auf ein solches Sediment fallen, zum Beispiel ein Häufchen Vogelkot, das den Samen eines Baumes enthält. Dann lassen wir es ein wenig regnen und dann wieder die Sonne scheinen. Mineralische Nährstoffe plus Licht plus Wasser plus Wärme – schon geht es los: Ein Sämling wächst.
Die Pflanze beruhigt an dieser Stelle den Wind, gibt Schatten und Schutz und lässt organisches Material zu Boden fallen, das zahllosen Mikro- und Makroorganismen als Nahrung dient. Sie beginnen, es mit dem Boden zu vermischen. Die Wurzeln sorgen dafür, dass festgehalten wird, was gebraucht wird. Pilze lagern sich an und gehen eine Symbiose mit dem Baum ein. Nach einiger Zeit arbeiten zig biologische, physikalische und chemische Prozesse Hand in Hand, sodass ein Ökosystem Formen annimmt und sich unwiderstehlich ausbreitet: Wald.
Im
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