Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
Macht würde durchsetzen können.
Umgekehrt war auch klar: Nie im Leben würden diese Leute unsere Einkaufsbedingungen unterschreiben, die waren ja so ungefähr das juristische Gegenteil ihrer Verkaufsbedingungen. Ich dachte, das wird nie was, das können wir vergessen. Aber einen Versuch war es wert: Ich rief den Vertriebsleiter an. Und ich stellte fest, was die
Brand eins
viele Jahre später titeln sollte: Es gibt intelligentes Leben im Konzern.
Wir grinsten uns durchs Telefon quasi an und waren uns schnell einig: Mit diesen Einkaufs- und Verkaufsbedingungen haben wir uns jetzt wohl eben mal gegenseitig ordentlich was vor den Bug geballert. Jetzt können wir es aber auch wieder gut sein lassen und überlegen, ob und wie wir weitermachen. Wir wollten das Geschäft schließlich beide. Die paar Tausend Gläser, um die es ging, waren ihm zwar egal – aber in den Manufactum-Katalog wollte er auf jeden Fall. Also einigten wir uns darauf, dass wir gegenseitig die erforderlichen Bedingungen einfach nicht unterschreiben würden. Wir würden sie einfach beide ununterschrieben in die Akten versenken. Manufactum würde einfach trotzdem bestellen und der Glaskonzern würde einfach trotzdem liefern. Das sollte reichen. Wir versprachen uns gegenseitig, dass das so gilt. Hand drauf (durchs Telefon). Fertig. Und so geschah es. Wir kauften die gewünschten Gläser (allerdings letztendlich ein anderes Modell als den original Willybecher, wenn ich mich recht erinnere), und unsere Geschäftsbeziehung mit dem Konzern lief viele Jahre erfolgreich.
Wer macht den Weg frei?
Fairness bedeutet auch manchmal, dass man sich über den Gesetzgeber hinwegsetzt. Das Vertrauen der Geschäftspartner oder der Kunden hat Vorrang. Das ist etwas, was in die Köpfe von Konzernmenschen meistens einfach nicht hineingeht.
Ein Beispiel: Die Rücksendung von Retouren wurde vom Gesetzgeber im Jahr 2000 im Namen des Verbraucherschutzes neu geregelt. Auf gar keinen Fall soll der Kunde, der etwas bei einem Versender bestellt hat, für die Kosten der Rücksendungen aufkommen müssen, wenn der Wert der Rücksendung über 40 Euro liegt. Wenn Sie also etwas bestellen, dessen Farbe Ihnen in natura dann doch nicht so gut gefällt und es darum wieder zurücksenden, dann muss das laut Gesetz der Versandhändler bezahlen, obwohl er überhaupt keinen Umsatz machen konnte.
Das ist zwar geltendes Recht, aber es ist von Fairness und Gerechtigkeit so weit entfernt wie Aldi von nachhaltiger Wirtschaft. Thomas Hoof sah das nicht ein. Er war immer gegen Verbraucherschutzgesetze und für mündige Kunden. Er schrieb persönlich eine neue Passage für die Vertragsbedingungen am Ende des Kataloges:
»Das Gesetz schreibt vor, dass Sie bei Bestellungen bis zu einem Betrag von EUR 40 die Kosten der Rücksendung selbst zu tragen haben. Ansonsten gehen die Rücksendungskosten zu unseren Lasten. (Nach unseren bisherigen Vertragsbedingungen ging die Rücksendung – außer bei Mängeln – zu Ihren Lasten. Trotz gegenteiliger Meinung des Gesetzgebers fänden wir es fair, wenn Sie Ihre Rücksendung wie bisher freimachen würden.)«
Er appellierte an die Fairness der Kunden, und siehe da: Viele Kunden bezahlten freiwillig die Portokosten der Retouren selbst. Allerdings: So etwas geht nur bei einer gewachsenen Vertrauensbeziehung. Vertrauen ermöglicht Fairness.
Was Vertrauen außerdem möglich macht: Unabhängigkeit. Als Manufactum in seiner Anfangszeit stürmisch wuchs, gab es bald ein Finanzierungsproblem. Schnelles Wachstum ist im Geschäftsleben eine der schwierigsten Herausforderungen, denn es erfordert schnell viel Kapital, und von Banken ist da nicht viel zu erwarten. Die vertrauen selten auf das prognostizierte Wachstum eines Unternehmens und geben darum in einer solchen Phase ebenso selten Kredite aus. Wenn dann allerdings das Wachstum tatsächlich stattgefunden und das Unternehmen auf eine neue Stufe gehoben hat, dann rennen die Banken dem Unternehmen die Türen ein und werfen mit Krediten um sich wie Hochzeitsgäste mit Reis am Ausgang der Kirche. Nur: Dann braucht der Unternehmer ja das Geld nicht mehr, er verdient dann ja selbst genug und die Investitionsphase ist bereits vorbei. Banken verleihen Regenschirme – außer wenn es regnet.
So war es auch bei Manufactum. Die Banken sahen sich das Konzept an und winkten ab: Gute Dinge! Das wird nicht funktionieren. Wir finanzieren das Konzept nicht … So etwas braucht doch kein Mensch.
Thomas Hoof war schnell der Meinung,
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