Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
dass er im Gegenzug die Banken nicht brauchte. Aber der Kapitalbedarf war nun mal da. Spätestens als sein Unternehmen zum ersten Mal Gewinn machte und das Finanzamt auf sofortiger Zahlung der Steuern für das abgelaufene Geschäftsjahr plus Vorauszahlung für das folgende Geschäftsjahr bestand (was übrigens so ziemlich das Gegenteil von nachhaltiger Pflege von Steuerquellen ist), war Manufactum einen Moment lang kurz vor dem Aus, erzählte er mir viele Jahre später. Woher sollte jetzt das Geld kommen?
Das konnte nur von Menschen kommen, die erstens Vertrauen in Manufactum hatten, die zweitens das Konzept verstanden hatten und die drittens ein langfristiges Interesse am Unternehmenszweck (und nicht nur an der Rendite) hatten. Man muss nicht lange auf diese drei Punkte starren, um herauszufinden, dass es auf der Welt nur eine Gruppe von Menschen gibt, auf die alle drei Punkte zutreffen: die Manufactum-Kunden.
Also schrieb Hoof in den
Hausnachrichten
, die den Katalogen stets beiliegen, dass Manufactum Kapital brauchte. Er bot stille Beteiligungen an mit Renditen, die abhängig vom Jahresergebnis, aber jedenfalls deutlich über den marktüblichen Zinsen liegen sollten. Lieber würde er vielen kleinen Teilhabern 2 Prozent mehr als einer Bank bezahlen, als auch nur zu 2 Prozent von einer Bank abhängig zu sein! Er bot außerdem die Prüfung der Bücher durch vereidigte Wirtschaftsprüfer, einen jährlichen Bericht und 10 Prozent Hausrabatt für stille Teilhaber auf das gesamte Sortiment an. Clever. Und schließlich haftete für Risiken zuallererst mal er selbst: Manufactum war eine KG, und Hoof war der »persönlich haftende Gesellschafter«. Die Untergrenze der Einlagen sollte bei 10 000 D-Mark liegen und die Laufzeit bei mindestens einem Jahr, damit die Abwicklung kostenmäßig noch im Rahmen blieb.
Die Rechnung ist aufgegangen. Eine große Zahl von Kunden investierte im Laufe der Zeit in Manufactum, manche 10 000 D-Mark, einzelne sogar über eine Million. Der Andrang war so groß, dass es irgendwann zu viel wurde, das Programm wurde immer wieder gestoppt, weil Manufactum so viel Kapital gar nicht brauchte. Das Unternehmen war über die komplette Phase seines starken Wachstums bombensicher finanziert.
Das bedeutete aber auch eine enorme Verpflichtung gegenüber den Investoren. Hätte Manufactum Dinge getan, die das Vertrauen erschütterten, wäre es in kürzester Zeit vorbei gewesen, denn die Investoren hätten schnell ihre Beteiligungen aufgelöst und Manufactum nackt im Regen stehen lassen. Andersherum gesehen ist so eine Finanzierung aber bei intaktem Vertrauen nahezu unerschütterlich. Ein Börsenbeben geht an so einem Fels einfach vorbei, ohne einen Kratzer zu hinterlassen.
Kompass für Elefanten
Vertrauen macht so vieles möglich. Aber Vertrauen muss man sich verdienen, man kann es nicht einklagen oder mit Macht erzwingen. Wie verdient man sich als Unternehmen Vertrauen? Indem man dauerhaft und zuverlässig einen konkreten Nutzen für die Gesellschaft liefert. Indem man Qualität liefert und nachhaltig wirtschaftet. Und wie liefert man Qualität und wirtschaftet nachhaltig? Indem man vertrauensvolle Beziehungen mit seinen Lieferanten aufbaut, anstatt sie zugunsten der Investoren auszuweiden. Nachhaltigkeit gibt es nur mit Anstand.
Wenn Vertrauen Vertrauen erzeugt und wenn Vertrauen Vertrauen voraussetzt, dann bedeutet das: Ich muss als Unternehmer oder Manager irgendwann einmal anfangen zu vertrauen, wenn ich an den Vorteilen des nachhaltigen Wirtschaftens teilhaben möchte, und ich muss das Vertrauen der anderen rechtfertigen – ich muss anständig bleiben.
Riesige Konzerne verdienen sich das Vertrauen ihrer Kunden und ihrer Geschäftspartner nur selten, weil sie erstens allzu oft selbst nicht in der Lage sind, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen – sie vertrauen ja oft nicht einmal ihren eigenen Mitarbeitern. Zweitens haben meiner Erfahrung nach selbst Menschen in hohen Konzernpositionen oft gar nicht genug Entscheidungsspielraum, um vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Härter formuliert: Sie haben ein Problem, Wort zu halten, weil ihnen ständig jemand reingrätscht, wenn es ernst wird. Und drittens tauschen Konzerne im Laufe der Jahre einfach allzu oft ihren ursprünglichen Unternehmenszweck gegen die Aufgabe, die unanständige Renditegier ihrer Aktionäre zu stillen.
Aber das bedeutet nicht, dass Größe immer nur unanständig und schlecht ist. Manches können einfach nur Konzerne
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