Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
Sauce mit italienischem Haltbarrahm. Frischer Rahm war immer besser, aber ich hatte keinen, und es schmeckte auch so gar nicht schlecht.
„Köstlich, ein Wahnsinn“, rief Joe. „So habe ich um diese Uhrzeit noch nie gegessen.“
Das allerdings sagte über die Qualität meiner Kochkünste nicht viel aus. Was wollte ich eigentlich? Nachweisen, dass ich zumindest eine hausfrauliche Tugend hatte? Würde ich demnächst damit auftrumpfen, dass ich sogar einen Knopf annähen konnte? Unsinn. Kochen war etwas anderes. Ein Lebensgefühl. Das Gefühl zu leben. Immerhin aß Joe alles auf und schien sogar munterer zu werden.
„Jetzt kommt nur mehr ein Gang, ganz leichte Küche.“ Bevor er etwas sagen konnte, verschwand ich. Der Grill im Backrohr war auf 250 Grad vorgeheizt. Ich schob das Blech mit den Mango-Hühner-Prosciutto-Schichten hinein, für maximal drei Minuten.
„Sfornato di estate a la Armando“, sagte ich laut, als ich mit den Tellern zum Tisch kam.
Joe schreckte hoch. „Köstlich!“, sagte er wieder.
Es war köstlich, wirklich.
[ 5. ]
Zwei grell orangefarbene Katzen tobten mit mir einen karibischen Strand entlang, auch ein leuchtend blauer Fisch war irgendwie mit dabei, aber das sah ich nicht so deutlich. Ich hätte gerne weiter geträumt. Doch ich schaffte es nicht, den Wecker zu ignorieren. Verärgert öffnete ich die Augen. Im Radio berichtete man von einer Vernissage. Ich war am Vorabend dort gewesen, eine kleine Lifestylegeschichte über einen Maler mit den richtigen wichtigen Freunden. In Österreich war er beinahe ein Star, im Ausland kannte ihn niemand. Und das hatte eindeutig mit der Qualität seiner Bilder zu tun. Pseudorealistischer Kitsch. Wunderbare Wiener Freunderlwirtschaft. Eingeschlossen zwischen den Wiener Kulturschickis hatte ich mir gedacht, dass an Joes Zugang zur volkstümlichen Unterhaltungsmusik schon etwas dran war. Waren diese Typen besser? Hatten sie mehr Geschmack? Ein ehrlicheres Verhältnis zu Geld und Geschäft? Man hätte ihnen einen der blödsinnigen Jodler der Frohsinn-Mädel vorspielen sollen. „I steh’ am Berg und sing’, auf dass es zu dir rüberkling’, vom Berg ins Tal, und i umarm’ di noch einmal.“ Das war auch nicht schlechter, als die Ausstellung gestern Abend. Aber die Vernissagegäste hätten so ein Lied wahrscheinlich bloß als besonders schrillen Act betrachtet. Gismo trieb mich mit ihrem Gebrüll endgültig aus dem Bett.
Joe hatte ich seit Samstagnacht nicht mehr gesehen. Er war nach dem späten Essen und einem weiteren Whiskey gegangen. Er müsse früh raus und brauche etwas frische Luft, hatte er gesagt. Und dass das Essen wirklich großartig gewesen sei. Gestern hatte er sich nicht gemeldet. Warum auch?
Offenbar hatte ich ihn überschätzt. Oder überfordert. Es ist eben nicht jeder in der Lage, um halb drei in der Früh Vergnügen an einem spontanen Menü zu entwickeln. Was soll’s.
Ich duschte, schlüpfte in Jeans und ein T-Shirt, nahm für alle Fälle eine repräsentable Leinenjacke mit und verließ die Wohnung. Schon wieder lag eine Redaktionssitzung vor mir, an der ich teilnehmen musste. Und es würde ratsam sein, noch vorher die Tageszeitungen zu lesen. Wegen Gismos Gebrüll hatte ich die Nachrichten nicht verstanden.
In der Redaktion winkte ich einer Sekretärin zu, schnappte mir ein Bündel Zeitungen und verzog mich an meinen Tisch. Zum Glück waren die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen um diese Uhrzeit noch nicht gesprächig. Die ersten beiden Zeitungen wussten wenig Neues zu berichten. In der einen Zeitung war zurückhaltend von „zwei Todesfällen in der Volksmusikszene“ die Rede. Das andere Blatt schrieb von „zwei mutmaßlichen Morden“. Auch ich hatte gestern wenig Neues herausbekommen. Chefermittler Müller war angeblich nicht da gewesen, der Pathologe hatte mitteilen lassen, dass er keine Auskunft erteile, und im Fernsehzentrum war mir von der Telefonistin erklärt worden, dass Sonntag sei. Als ob ich das nicht gewusst hätte. Am nächsten Samstag würde die Super-Sommer-Hitparade der Volksmusik nicht aus dem Sendesaal der Fernsehgesellschaft kommen, sondern aus der Kulturhalle Unterbach. Hinaus aufs Land, in eine Megahalle, die ein größenwahnsinniger Bürgermeister hatte erbauen lassen. Dort hatte man Platz für mehrere tausend Fans der Volksmusik und eine Riesenbühne mit aufwendigen Showeffekten. Das Szenario für den nächsten Mord? Die Sicherheitsvorkehrungen würden verschärft werden, das war klar. Aber
Weitere Kostenlose Bücher