Ausgelacht
bin ich deine ‹Begleitung›? Das hört sich ja so an, als sei ich … sonst was.»
«Du meinst, eine Nutte?», fragte Julian grinsend. «Blödsinn. Außerdem kann ich dich nennen, wie ich will, wer was Böses will, der erzählt auch Böses rum. Auch wenn ich behaupten würde, du seist meine Schwester.»
«Hm», machte Britt und sah sich um. Sie waren im Gasthaus «Zum Prinzen», einem alten Wirtshaus, das sich im Bad Nauheimer Ortskern befand. Julian hatte recht, es war wirklich urig, so wie man sich eben eine Wirtschaft vorstellt, die es seit 1661 gibt. Überall war Holz, und an den Wänden hingen Zeichnungen, in der Ecke stand eine alte Ritterrüstung, und überall waren Butzenscheiben. Und es lagen und standen Bücher und Bildbände herum.
«Mir ist es aber auch völlig egal, was die Leute denken», redete Julian weiter. «Ich möchte einfach einen schönen Abend mit dir haben. Und einen ruhigen.»
«Ja, ein ruhiger Abend wäre in der Tat schön», musste Britt zugeben, während der Kellner den Wein brachte und Julian ein wenig zum Probieren eingoss.
Nachdem sie getrunken hatten, lehnte Britt sich zurück. Zum ersten Mal, seit sie in Bad Nauheim war, fühlte sie sich halbwegs wohl. Keiner wollte was von ihr, keiner beschimpfte sie, gut, nach den Opossums hatte sie immer noch nicht geschaut, dafür aber dem Harald aufgetragen, sich um die Fütterung der Tiere zu kümmern. Wo Gertrud sich befand, wusste sie auch, nämlich im Frankfurter Zoo und da in einem abgeschlossenen Einzelterrarium, was Britt ein Stück weit beruhigte. Irgendjemand wollte Tante Dora wegen der Schlange anzeigen, aber das war jetzt auch egal.
Der Abend versprach, richtig nett zu werden. Denn Julian Brahmkamp war, wenn man es mal genau betrachtete, wirklich ein attraktiver Mann. Er erzählte witzig, er war sehr aufmerksam und schenkte ihr Wein nach, und er hatte ihr sogar den Stuhl zurechtgerückt.
Und das Essen war superlecker. Noch nie hatte sie so traumhafte Rouladen gegessen. Vom selbstverständlich selbstgemachten Rotkohl ganz zu schweigen.
«Du kannst ja lachen», sagte Julian und prostete ihr zu.
«Natürlich kann ich lachen. Warum auch nicht?» Britt hob ebenfalls ihr Glas. Der Alkohol hatte ihr eine behagliche Wärme verschafft, und wenn es nach ihr ginge, könnten sie hier ewig sitzen bleiben, reden und trinken. Julian gefiel ihr immer besser. Immer, immer besser.
Sie lachte wieder. Den Gefallen konnte sie ihm ruhig tun. Weil sie ihn mochte. So sehr.
Jetzt stellte er sein Glas hin und beugte sich nach vorn. Im Kerzenschein glänzten seine Augen wie grüne Steine.
«Du …», sagte er leise, und sie beugte sich ebenfalls nach vorn. «Hm?»
Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und streichelte mit den Zeigefingern sanft über ihre Wangen.
Britt wurde anders. Sie schloss die Augen und wartete, denn selbstverständlich würde er sie jetzt küssen.
«Eigentlich bist du gar nicht so eklig, wie alle sagen», flüsterte Julian.
Britt öffnete verwirrt die Augen. «Danke.»
«Im Moment jedenfalls.»
«Danke.»
«So oft haben wir uns ja nun auch noch nicht gesehen, aber bislang warst du immer ziemlich ätzend.»
Britt stellte ihr Weinglas ab. «Was denn nun?»
«Das würde ich ja gern herausfinden. Wieso bist du meistens mies drauf und behandelst alle von oben herab? Hältst du dich für was Besseres? Oder sind das einfach schlechte Gene, die bei dir durchkommen? Liegt schlechte Laune in deiner Familie?»
Britt überlegte kurz, was sie darauf sagen sollte.
«Letzteres nein und ersteres ja», sagte sie dann ehrlich.
Julian stellte sein Glas hin. «Wie bitte?»
«Ja, ich bin etwas Besseres. Das wirst du jetzt vielleicht nicht verstehen …»
«Das verstehe ich in der Tat nicht. Aber ich bin gespannt auf deine Erklärung.» Abwartend und ein klein wenig fassungslos schaute er sie an.
«Es ist doch so», begann Britt und merkte, dass sie sich immer sicherer fühlte, «dass es solche und solche gibt.»
«Das ist richtig», nickte Julian und war in der Tat gespannt. Durch das Kerzenlicht oder durch was auch immer sah er immer besser aus. Britt wurde mulmig. Sie wollte gar nicht finden, dass er gut aussah. Es sollte ihr doch ganz egal sein. Was wollte sie denn mit einem Tierarzt aus Bad Nauheim? Sich darüber freuen, wenn er sie zu einem Wochenende an der Ostsee einlud, das er im Internet billig geschossen hatte? Ganz sicher nicht.
Sie räusperte sich. Dann kam der kleine Giftstachel in ihr hoch, den man Arroganz
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