Ausgelacht
sterben gerade. Und der Hund hat alles vollgeschissen.»
«Der Mann ist doch da.»
«Welcher Mann?»
«Na, dieser Mann für gewisse Stunden.»
«Ach ja.»
«Der wird schon wissen, wann er einen Hund rauszulassen hat», war sich Julian sicher. «Und so schnell verdurstet man nun auch nicht. Komm mal mit.»
«Wohin?»
«Überraschung.» Er nahm sie bei der Hand, zog sie mit sich, und sie gingen die Straßen entlang, um dann die Parkstraße hinabzulaufen.
«Da ist ja eine Buchhandlung», stellte Britt fest, die alles wie durch Watte sah.
«Ja, stell dir vor, auch die Bad Nauheimer lesen hin und wieder, und dass es Bücher gibt, hat sich mittlerweile auch bis hierher herumgesprochen.»
«Ich dachte, hier gibt es nur das Antiquariat.»
«Wir haben sogar einen Optiker», sagte Julian. «Und schau, dort ist eine Eisdiele. Sie heißt Dolomiti. Das heißt im Klartext, dass man in Bad Nauheim weiß, dass es Italien gibt.»
«Ah», nuschelte Britt.
«So, da sind wir», sagte Julian. «Schau.»
Britt sah nach oben. Vor ihr war eine Treppe aus Stein, oben an der Treppe befanden sich rechts und links zwei Skulpturen, ebenfalls aus Stein. Es schienen Frauen zu sein, und sie hatten irgendwas auf dem Kopf. Julian zog Britt die Stufen hoch.
«Huch», sagte Britt und schaute über den Mauerrand in den Inhalt der beiden Becken, die sich vor ihr auftaten. «Das ist ja orangefarbenes Wasser.»
«Es ist eisenhaltiges Heilwasser und kommt aus 170 Metern Tiefe», erklärte Julian. «Es ist dreißig Grad warm. Komm, los.» Er zog seinen Pullover aus. «Wir gehen schwimmen.»
«Bist du irre?», fragte Britt. «Ich geh doch hier nicht schwimmen.»
«Das muss man einmal gemacht haben, wenn man hier wohnt und noch nicht hundert ist. Wir alle haben das schon gemacht. Na ja, nicht alle, aber viele.»
«Und wenn jemand kommt?»
«Hallo? Das ist eine Kurstadt. Hier werden kurz nach acht die Bürgersteige hochgeklappt, und mittlerweile ist es fast elf.»
«In München ist das …»
«… noch keine Uhrzeit, ich weiß. Aber hier bedeutet elf Uhr abends, dass die wenigsten Leute noch auf die Idee kommen, zum Sprudelhof zu latschen, um da drin zu baden. Also kommst du nun oder nicht?»
«Was ist das überhaupt, der Sprudelhof?», wollte Britt wissen.
«Wie ich schon sagte, Heilwasser. Die Anlage hier wurde irgendwie neunzehnhundertnochwas gebaut. Jugendstil also. Es gibt eine ganze Anlage mit Heilbädern und allem Krimskrams. In der Thermalsole befindet sich Kohlensäure, und das hat eine heilende Wirkung. Gut, was?»
«Ich brauche keine heilende Wirkung», sagte Britt. «Ich brauche funktionierende EC -Karten.»
«Morgen ist auch noch ein Tag», meinte Julian. «Heut ist heut, und jetzt wird gebadet. Los jetzt, sei kein Feigling.»
«Ich hab keinen Bikini mit», knurrte Britt.
«Du willst mir wohl nicht erzählen, dass du noch nie nackt gebadet hast?»
«Doch.»
«Sind alle Münchner so spießig?»
«Das hat doch mit spießig nichts zu tun. Ich bin halt kein FKK -Anhänger.»
«Ich schau auch nicht hin.»
«Ha. Ha. Ha.»
‹Warum eigentlich nicht?›, dachte Britt. ‹Ist doch egal. So was wie im Garten mit Emil wird ja wohl kein zweites Mal passieren, zumal hier ja auch gar keine Tiere sind.›
«Sind da Fische drin?», fragte sie Julian vorsichtshalber.
«Blödsinn.» Er zog sich an dem einen Beckenrand hoch. In der Mitte sprudelte eine Fontäne. Dann ließ er sich langsam ins Wasser gleiten. «Das ist total klasse. Komm jetzt rein.»
Britt sah sich um. Es war in der Tat niemand zu sehen. Und ein bisschen Abwechslung würde ihr guttun. Julian hatte recht. Morgen war ein neuer Tag. Morgen … um was sie sich alles würde kümmern müssen: EC -Karten, Nana, ihre Eltern, die Wohnung, die Tiere, den Callboy und und und … grauenhaft.
Aber heut war heut, und morgen war morgen. So hatte Julian es formuliert, und so würde sie es jetzt auch handhaben. Außerdem fand sie Julian nach wie vor gut. Auf gar keinen Fall wollte sie vor ihm als Weichei dastehen.
Sie zog sich bis auf den Slip aus, und dann sprang sie ebenfalls an der Mauer hoch und setzte sich drauf. Vorsichtig tunkte sie die Füße ins Wasser. Es war wirklich herrlich warm.
Julian befand sich schon unter der Fontäne und ließ sich vom warmen Wasserstrahl begießen. «Ist das nicht herrlich?», fragte er leise.
Britt nickte.
«Komm rüber», sagte er.
Der Beckenrand war abgerundet und total glitschig, und mit einem Mal befand sie sich nur noch einen
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