Ausgelacht
Meine Güte, hast du einen miesen Charakter. Ich wette, du hast noch nie eine längere Beziehung gehabt. Die laufen bestimmt alle weg von dir. Oder du hast sie weggeworfen wie Abfall, wenn du die Nase voll von ihnen hattest. Du bist jetzt schon eine total verbitterte Tussi. Und noch dazu bist du ganz allein. Merkst du nicht, dass niemand mehr was mit dir zu tun haben will? Kein Mensch sehnt sich nach deiner Anwesenheit. Okay, von Frau Winkler mal abgesehen. Aber die ist so lieb, dass sie einfach nicht anders kann. Aber sonst gibt es niemanden, der was mit dir am Hut haben will. Glaub es mir einfach. Scheißgefühl, oder?»
Das saß. Britt wurde glühend rot. Weil Julian nämlich recht hatte.
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zwanzig
Britt stand in der Fußgängerzone, atmete tief durch und noch mal und noch mal. Julian hatte sie völlig aus dem Konzept gebracht. Sie war so wütend. Und sie würde ihm am liebsten alles Mögliche an den Kopf werfen, aber ihr fehlten einfach die Worte. Außerdem war er ja sowieso nicht da.
«Na, hast du dich abgeregt?» Julian stand wie aus dem Boden gestampft neben ihr.
«Lass mich doch einfach in Ruhe.» Britt verschränkte die Arme und starrte auf den Boden. «Alle sollen mich in Ruhe lassen.»
«Das kannst du haben», sagte Julian müde. «Ich hab echt gedacht, du wachst irgendwann mal auf und zeigst, dass du auch anders kannst. Dein Vater ist am Ende, deine Freundin will nichts mehr mit dir zu tun haben, du hättest schon längst deine Mutter anrufen und den Mist mit der falschen E-Mail klären können. Die Ärmel hochkrempeln hättest du können und endlich mal was Sinnvolles tun. Aber stattdessen steckst du den Kopf in den Sand, und das Einzige, das dich interessiert, ist die Tatsache, dass du jetzt kein Geld mehr hast. Das ganze Drumherum geht dir am Arsch vorbei.»
«Red nicht so mit mir.»
«Ich red gleich noch ganz anders mit dir.»
Britt drehte sich um und ging einfach weg. Sie lief und lief, und irgendwann stand sie vor der Tieftalklinik und dann in Toms Zimmer.
«Hallo Tom.»
«Britt.»
«Du kannst ruhig Brilli zu mir sagen», sagte Britt und setzte sich.
«Steh bitte wieder auf», sagte Tom, der mit Gipsbeinen im Bett lag und ein Kreuzworträtsel löste. «Wie ich sehe, hast du mir immer noch nichts mitgebracht.»
«Hab ich vergessen.»
«Das war ja klar. Es hätte ja auch Arbeit bedeutet, mal was für jemand anderen zu machen. Ich sagte, du sollst bitte aufstehen.»
Britt erhob sich verwirrt. «Was ist denn los?»
«Herr Helfrich hat mich besucht, nachdem er bei seiner Frau war, die ja auch hier liegt. Er hat mir so einiges über dich erzählt. Keine schönen Dinge. Und da habe ich einen Entschluss gefasst.»
«Einen Entschluss?» Britt wurde immer verwirrter.
Tom legte das Rätselheft beiseite. «Ja», nickte er. «Ich bin nämlich hier nicht der Trottel vom Dienst, Britt. Ich bin es leid, immer nur dann gerufen zu werden, wenn dir ein Furz quersitzt. Was habe ich letztendlich davon gehabt? Nichts. Noch nie. Du meldest dich immer nur dann, wenn du was willst. Ansonsten höre ich oft monatelang nichts von dir. Damit ist jetzt Schluss. Und mit Schluss meine ich Schluss. Du bist von meiner Liste gestrichen. Das habe ich vor ein paar Minuten beschlossen, nachdem ich heute Nacht wachgelegen und nachgedacht habe. Das Gespräch mit Herrn Helfrich hat auch dazu beigetragen. Und jetzt geh bitte, Britt. Ich möchte weiter mein Rätsel lösen.»
Tom beugte sich über sein Heft.
Die Audienz war beendet.
Britt wollte noch etwas sagen, überlegte es sich dann aber anders. Sie wollte nicht betteln.
Sie wollte heulen.
Es war, als würde ihr langsam der Boden unter den Füßen weggezogen.
«Fahren Sie mich dahin, wo es ruhig ist», sagte Britt ein paar Minuten später zu einem Taxifahrer.
«Um die Uhrzeit am ehesten auf dem Johannisberg», sagte der und fuhr los.
«Gut», sagte Britt und lehnte sich zurück. Dann fiel ihr etwas ein.
«Ich habe völlig vergessen, dass ich gar kein Geld habe», sagte sie zerknirscht.
«Ich weiß», sagte der Taxifahrer. «Jeder hier weiß das. Ist schon in Ordnung. Meine Frau arbeitet da oben im Café, dann kann ich kurz hallo sagen.»
‹Ist das alles peinlich›, dachte Britt, die mittlerweile völlig durcheinander war.
Eine Viertelstunde später saß sie auf einer Bank vor dem Café Johannisberg, von der aus man in die Landschaft unter sich schauen konnte. Es war noch früh und nicht viel los, lediglich ein paar Spaziergänger
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