Ausgeliebt
Zeit in Hamburg wollte ich dich anrufen, um mir Tipps für das Singledasein zu holen. Du hast das alles so gut
im Griff. Ich habe mich dann nicht getraut.«
Nina sah mich erstaunt an und lachte dann bitter.
»Ich? Ich hasse das Alleinleben. Ich finde diese Wohnung viel zu groß, ich lerne nur verheiratete Männer kennen, die ein paarmal
mit mir schlafen und dann wieder zu ihren Frauen gehen, ich beantworte Kontaktanzeigen und treffe mich mit Typen, die ihr
Vergnügen, aber keine Beziehung wollen, die Männer, die ich im Cluburlaub kennen gelernt habe, melden sich nie wieder. Ich
habe es satt, Christine, unendlich satt. Ich will morgens davon aufwachen, dass mich jemand küsst, nicht von dem Geräusch,
das mein Hund macht, wenn er kotzt.«
Ich war erschrocken über ihren Ausbruch, suchte nach Worten.
Nina war wohl genauso erschrocken. Sie lächelte verlegen und sagte schnell: »Und mein Hund kotzt oft.«
Ich zwang mich zu einem Lächeln.
Das Klingeln des Telefons unterbrach die peinliche Pause. Nina telefonierte kurz in ihrem Büro, kam dann zurück und sagte
mit einem Schulterzucken: »Es tut mir leid, das war meine Freundin, die auf Edda aufpasst, wenn ich unterwegs bin. Sie holt
den Hund sonst immer ab, kann heute aber nicht kommen, sie hat Besuch. Ich muss Edda hinfahren.«
Ich war erleichtert über das unerwartete Ende des Abends.
»Nina, ich bin auch bettreif, danke fürs Essen und Squashspielen, wir telefonieren uns zusammen. Ich fahre mit der Bahn, das
geht schneller.«
|111| Ich war froh, als sie die Tür hinter mir schloss. Und hatte gleichzeitig ein schlechtes Gewissen.
Ich hörte Ediths Stimme.
»Tu doch nicht so, da wirst du auch hinkommen. Warte ab, irgendwann suchst du genauso verzweifelt einen Kerl.«
Charlotte hielt dagegen
.
»Quatsch, so ein klasse Leben wie im Moment hattest du die letzten Jahre mit Bernd nicht. Du bist ganz anders.«
Ich hoffte, sie würde Recht behalten.
|112|
Schmutzgeld
Eine dicke alte Dame prostete mit einem Likörglas in die Kamera. Sie strahlte zahnlos und glücklich, in einer Sprechblase
stand: »Geschafft.«
Ich drehte die Karte um. »Heute ist der 11. August. Das halbe Jahr ist rum. Herzlichen Glückwunsch, Marleen.«
Die Gute, sie hatte mit gedacht.
Ich legte die Karte auf den Poststapel, schloss den Briefkasten ab und stieg die Treppe hinauf zu meiner Wohnung. Es war Freitagmittag,
ich war früh zu Hause und hatte das Wochenende vor mir. Beim ersten Kunden heute Morgen hatte ich das Datum auf das Bestellformular
geschrieben. 11. August. Dabei war es mir aufgefallen.
Ich hatte es wirklich hinter mir, dieses erste halbe Jahr, vor dem ich noch im Februar Angst gehabt hatte. Das sollte ich
eigentlich feiern.
In meiner Wohnung angekommen, stellte ich meine Tasche ins Büro, leerte den Beutel mit der Geschäftspost aus dem Postfach
auf den Schreibtisch und legte den kleinen Stapel aus dem Briefkasten daneben.
Die Karte von Marleen befestigte ich mit einem Magneten am Kühlschrank. Die dicke alte Dame prostete mir zu, ich öffnete die
Kühlschranktür. Es war eigentlich viel zu früh, aber das vergangene halbe Jahr war etwas Besonderes gewesen. Ich nahm die
kleine Flasche Champagner heraus. Ich hatte sie irgendwann gekauft, für eine besondere Gelegenheit. Und die war jetzt.
Als ich auf dem Balkon saß und auf mich trank, fühlte ich mich fast verwegen, gleichzeitig stolz und erleichtert.
|113| Charlotte lächelte mir zu.
»Herzlichen Glückwunsch. Du bist eine tolle Frau.«
Ich dachte an Nina, sie würde dieses Gefühl nicht kennen. Sie würde erst erleichtert sein, wenn sie einen neuen Mann in ihrem
Leben präsentieren konnte.
Wir spielten weiterhin Squash, allerdings beschränkten sich unsere Treffen auf den Sport und ein anschließendes Bier. Ihre
verbissene Suche nach dem Mann fürs Leben deprimierte mich, ihren Vorschlag, sie zu Single-Partys zu begleiten, lehnte ich
ab. Als ich lachte, nachdem sie mir den Ablauf einer »Fisch-sucht-Fahrrad«-Party beschrieben hatte, war sie verstimmt.
Sobald ich es schaffte, sie vom Thema Männer abzubringen, mochte ich sie.
Edith versuchte es.
»Am Wochenende seid ihr beide allein.«
Ich wollte sie nicht hören.
Vielleicht sollte ich Luise zum Essen einladen. Sie hatte dieses halbe Jahr jetzt vor sich.
Vor drei Wochen hatte sie abends vor meiner Tür gestanden, noch schmaler als sonst, mit verweinten Augen. »Ich wusste nicht,
wo ich hinsollte, kann ich
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