Ausgeliebt
Bewegung seinen Autoschlüssel aus der Jacke riss und in sein Auto stieg.
Beim Anfahren quietschten die Reifen.
Marleen reichte mir einen Grappa.
»Trink den aus.«
Ich setzte an und trank das Glas leer. Alles in Zeitlupe. »Ich dachte, es kann nicht schlimmer kommen.«
Marleen schenkte nach. »Das reicht jetzt wirklich. Aber schlimmer wird es nicht. Es ist auch alles zu erklären. Bernd hat
sich anscheinend überschätzt, dem war nicht klar, was du |102| alles bezahlt hast. Und Antje wurde geschnitten, dann kamen die beiden mit dieser Version, die alles erklärte. Deswegen hat
sich auch kaum einer bei dir gemeldet. Jetzt habe ich es richtig gestellt und Antje kriegt keinen Fuß mehr auf den Boden,
das lässt sie wieder an Bernd aus. Schön ist das alles nicht.«
»Sie tun mir noch nicht mal leid. Ich will diesen ganzen Dreck überhaupt nicht hören.«
Meine Blicke wanderten durch den dunklen Garten. Es war spät geworden.
Ich sah Luise im »Cox«, Jens im Strandkorb, meinen Balkon, Dorothea, die mir zuwinkte.
Marleen beobachtete mich. »Vielleicht war dieses Theater heilsam. Du bist zu weich gewesen, du hattest zu wenig Zorn.«
Ich erwiderte ihren Blick.
»Vielleicht. Keine Ahnung. Im Moment fühle ich mich wund. Und kalt.«
Mitten in der Nacht wachte ich auf. Ich knipste das Licht an und setzte mich auf. Als ich die gegenüberliegende Wand betrachtete,
entdeckte ich eine gerahmte Fotografie, die mir abends nicht mehr aufgefallen war.
Strandkörbe auf Sylt.
Ich öffnete das Fenster, setzte mich auf die Fensterbank und rauchte eine Zigarette.
Zehn Minuten entfernt, dachte ich, was für ein Scheiß. Ich legte mich wieder ins Bett und löschte das Licht. Kurz bevor ich
einschlief, kam mir noch ein Gedanke. Marens Mann war Anwalt. Ich würde sie anrufen. Dazu war ich jetzt fähig.
|103|
Um jeden Preis
Nina verfehlte den Ball knapp und stöhnte auf.
Sie keucht genauso wie ich, dachte ich und wischte mir den Schweiß von der Stirn.
Schwer atmend lehnte sich Nina an die Wand und ließ kraftlos ihren Squashschläger fallen.
»8:5«, verkündete ich, »los, Nina, lass dich nicht hängen, das wird mein Matchball.«
Sie rang nach Luft und stellte sich in Position.
»Mach hin, Hauptsache, das Spiel ist gleich vorbei. Ich übergebe mich sonst.«
Sie parierte nicht mal mehr den Aufschlag.
Als wir uns verschwitzt und atemlos in der Umkleidekabine gegenübersaßen, massierte Nina mit schmerzverzerrtem Gesicht ihre
Wade.
»Ich bin mir nicht sicher, ob Squashspielen wirklich das Richtige für meinen alten Körper ist. Ich bin vierzig, vielleicht
sollte ich nur noch spazieren gehen.«
Ich schnürte meine Turnschuhe auf.
»Wir sollten öfter spielen, mir tut auch alles weh, aber es hat richtig Spaß gemacht.«
Nina zog ihr T-Shirt mit dem Aufdruck »Das Beste am Norden« über den Kopf und warf es in die Sporttasche. Sie löste ihren Zopf und sah mich dabei
an.
»Du spielst schon lange, oder?«
Für einen Moment sah ich Antje in ihren Sportsachen vor mir.
»Ich habe früher regelmäßig mit einer Freundin gespielt. Seit dem letzten Jahr aber nicht mehr.«
|104| Antje und ich hatten uns jedes zweite Wochenende zum Squash getroffen, im letzten Jahr hatte sie angeblich Probleme mit dem
Knie und immer wieder abgesagt.
»Nina, du spielst gut, das sieht auch nicht nach Anfänger aus.«
Sie hatte inzwischen ihre verschwitzen Sachen ausgezogen, schlang sich ein Handtuch um den Körper und nahm ihr Duschzeug.
»Zwanzig Jahre Tennis, das sitzt, früher tat es nur nicht so weh.«
Sie lachte und verschwand in der Dusche.
Wir waren uns in der letzten Woche zufällig in Bremen über den Weg gelaufen, sie war gerade aus einer Buchhandlung gekommen,
in der ich meinen nächsten Termin hatte. Wir hatten beide eine halbe Stunde Zeit und gingen einen Kaffee trinken.
Sie fragte, ob ich mich gut eingelebt hätte, wir redeten über die Reise, über die engen Terminpläne.
»Am meisten geht mir diese Unbeweglichkeit auf den Geist. Tagsüber sitzt du im Auto und beim Kunden und abends am Schreibtisch
und auf dem Sofa.« Nina legte den Keks wieder auf die Untertasse zurück. »Ich würde so gerne wieder Sport machen, aber man
hat ja in der Woche nie Zeit, zum Training zu gehen.«
Sie sah mich an.
»Machst du irgendwas?«
Ich zögerte einen Moment.
»Im Moment nicht, früher habe ich manchmal Squash gespielt.«
Nina war gleich begeistert.
»Das ist doch klasse, dann lass uns doch
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