Ausgeliebt
alleine?«
Dorothea überlegte. »Weißt du, der Mensch, mit dem ich am liebsten meine Zeit verbringe, bin ich selbst. Und wenn ich mal
hormonelle Schübe bekomme, rufe ich Nils an. Das ist aber nicht alltagstauglich.«
Nils war Musiker, lebte in Köln und war verheiratet. Dorothea hatte ihn vor drei Jahren bei einem Dreh kennen gelernt. Sie
redete wenig über ihn, er tauchte von Zeit zu Zeit auf, blieb ein paar Tage und war dann wieder wochenlang weg. Dorothea schien
mit diesem Zustand zufrieden, sie bezeichnete ihn als ihr privates Vergnügen und lehnte Erklärungen ab.
»Ich tauge nicht zum Teil eines Paares. Das habe ich mit Georg versucht, es ist mir nicht gelungen. Und ich habe langfristig
keinen Spaß daran.«
|142| Ich dachte an Nina. Sie war das andere Extrem. Dorothea kannte sie noch nicht, ich erzählte von unseren Treffen, dem Gespräch
über das Alleinleben, ihrer Suche nach dem neuen Mann fürs Leben.
Dorothea hatte mit ungläubigem Gesichtsausdruck zugehört.
»Meine Güte, das klingt ja grässlich. Zweisamkeit um jeden Preis, Hauptsache, die Fassade stimmt und man lebt nicht allein.
Ich verstehe nicht, dass sich vierzigjährige Frauen immer noch nicht allein genügen. Als ob ein Kerl die Garantie für ein
besseres Leben wäre.«
Sie blickte mich erschrocken an. »Christine, ich habe mit der Fassade aber nicht dich gemeint.«
Ich war nachdenklich geworden, stand auf, um mit der neuen Espressomaschine Milchkaffee zu machen. »Du hast aber Recht. Ich
habe in den letzten fünf Jahren mit Bernd auch nur Fassade gelebt. Ich fühlte mich weder geliebt, schon gar nicht begehrt,
aber ich dachte, alles andere wäre noch schlimmer.«
Ich ging in die Küche. Dorothea rief mir hinterher. »Apropos, kannst du dich noch an Richard erinnern?«
Ich zuckte zusammen. Charlotte seufzte.
Ich ging weiter in die Küche und stellte die Maschine an. Ohne den Blick von diesem Chromwunder zu wenden rief ich die Antwort
auf Dorotheas Frage in ihre Richtung.
»Richard? Ach ja, wie kommst du auf ihn?«
»Brüll mich doch nicht so an.«
Dorothea stand in der Küchentür.
Ich drückte auf den falschen Knopf, heißes Wasser spritzte neben den Milchtopf.
Dorothea schob eine Tasse drunter. Sie lachte. »Nicht so unkonzentriert bei Hightech-Maschinen. Was ist los? Zwei Gläser Sekt
und schon bist du durcheinander?«
Ich sah sie an, während ich die Wasserlache wegwischte.
»Keine Ahnung, vielleicht kann ich tagsüber keinen Sekt mehr ab.« Ich wischte weiter, bis Dorothea mir den Lappen aus der
Hand nahm. Schließlich stellte ich die Frage doch.
|143| »Was ist denn jetzt mit Richard?«
Dorothea warf den Lappen in die Spüle und sah mich fragend an.
»Wieso Richard? Ach so, ich habe ihn am Wochenende zufällig getroffen. Ich war in Bremen, bei Annekes fünfzigstem Geburtstag,
weißt du, das ist die Maskenbildnerin, du kennst sie von meinem Geburtstag, die schöne, tolle Frau mit den roten Haaren. Die
ist jetzt übrigens auch geschieden.«
Ich holte tief Luft.
»Ja, ich kann mich erinnern. Und weiter?«
»Nichts weiter. Das war ein tolles Geburtstagsfest. Und Richard war auch da, die kennen sich ja auch noch aus Berlin. Wie
kam ich da denn jetzt drauf?«
Während sie nachdachte, biss sie sich auf die Unterlippe.
»Jetzt weiß ich, Fassade war mein Stichwort. Richard hatte in Berlin doch auch lange so ein privates Gezecke, das hat Georg
wenigstens mal erzählt. Anstrengende Ehefrau, massive Streitigkeiten, und er ließ sich alles gefallen. Sagt Georg. Jedenfalls
hat Richard beim Fernsehen gekündigt, er war da jahrelang Justiziar, das weißt du vielleicht noch. Er wohnt jetzt in Bremen,
hat mit einem Kollegen eine Kanzlei für Medienrecht, ist anscheinend ganz erfolgreich.«
Edith mischte sich ein, während ich alles aufsog, was ich hörte.
»Das ist sechs Jahre her, der kann sich gar nicht mehr an dich erinnern.«
Dorothea fuhr fort. »Ich soll dich übrigens grüßen, das hatte ich ganz vergessen, ich wusste auch gar nicht mehr, dass ihr
euch kennt. Na, jedenfalls, jetzt komme ich wieder zum Anfang zurück, scheint er diesen privaten Krieg hinter sich zu haben,
er lebt allein in Bremen. Warte mal, er hat mir auch noch seine Visitenkarte gegeben.«
Sie ging in den Flur, nahm ihre Tasche von der neuen Kommode und leerte sie komplett aus.
Charlotte flüsterte aufgeregt:
»Richard. Ausgerechnet jetzt.«
|144| Dorothea kam zurück und drückte mir mit
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