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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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und ich war wieder verliebt. Trotzdem gab es immer wieder Momente, in denen ich mich allein fühlte.
    Am letzten Wochenende hatten Leonie und Michael zum Adventskaffee eingeladen. Sie hatten eine Art miteinander umzugehen, die
     ich mochte. Die beiden gingen nie aneinander vorbei ohne sich kurz zu berühren. Nach fünfzehn Jahren Ehe sahen sie sich immer
     noch stolz und augenzwinkernd an.
    Es ging langsam ein Stück vorwärts.
    Meine Gedanken wanderten wieder zu Richard. Wenn er vom Tisch aufstand, an dem wir stundenlang saßen und über die Welt redeten,
     ging er um meinen Stuhl herum und küsste mich auf den Nacken. Ich fühlte den kleinen Schauer.
    Ich konzentrierte mich wieder auf die Fahrbahn. Langsam fuhr ich diese Strecke im Schlaf.
    Seit drei Monaten besuchte ich Richard regelmäßig, erst im Hotel, dann in seiner Wohnung, erst mittwochs, jetzt so oft es
     ging. Die kleine Wohnung in Bremen war fester Bestandteil meines neuen Lebens geworden. Und ich freute mich jedes Mal.
     
    |195| Edith schob Richards Gesicht weg.
»Und jedes Wochenende bist du traurig, weil der feine Herr bei seiner Gattin in Berlin ist. Ihr seid nicht Leonie und Michael,
     ihr habt eine heimliche Affäre.«
    Charlotte antwortete.
»Na und? Solange du dich mit ihm so gut fühlst, ist alles erlaubt. Am Wochenende hast du Zeit für deine Freundinnen, für das
     Großstadt-Singleleben, für dich. Wer kann schon beides haben, das ist doch großartig.«
    Edith winkte ab.
»Notgedrungen hast du da Zeit, das ist doch gar nicht deine Entscheidung. Und überhaupt, wenn du, wie geplant, von Hamburg
     aus nach Sylt gefahren wärst, würdest du jetzt nicht in diesem blöden Stau stehen.«
     
    Ich spürte einen Anflug von Kopfschmerzen. Dabei war Weihnachten.
    Richard und ich hatten in einem zauberhaften Restaurant gegessen, waren anschließend durch die sternenklare kalte Nacht zu
     seiner Wohnung gelaufen, hatten bei ihm noch eine Flasche Champagner getrunken und uns währenddessen schon gegenseitig ausgezogen.
     Langsam und mit unendlichem Genuss.
     
    Charlotte hatte ein Lächeln in der Stimme.
»Und heute Morgen hat er dich in den Tag gestreichelt, er war ganz nah, wollte dich kaum gehen lassen.«
    Edith ließ nicht locker.
»Er hat dich aber gehen lassen, er musste ja auch los. Und du fährst allein nach Sylt.«
     
    Mittlerweile hatte ich richtige Kopfschmerzen und meine Blase drückte. Nach kurzer Zeit sah ich ein Hinweisschild: »Ostetal
     1000   Meter.«
    Ich setzte den Blinker und fuhr auf den Parkplatz der Raststätte. Es herrschte eine betriebsame Ferienstimmung, für die ich
     Raststätten mochte. Familien, deren Autos mit Koffern und Weihnachtsgeschenken voll gepackt waren, junge Leute, die trotz
     eigenen Lebens an den Feiertagen nach Hause fuhren und |196| noch ein bisschen aufgeregte Vorfreude ausstrahlten, Mütter, die laut riefen, dass Kevin und Anastasia jetzt aufs Klo gehen
     müssten.
    Beim Händewaschen im Toilettenvorraum zwischen all den Kevins und Anastasias musterte ich mich in dem großen Spiegel.
    Gar nicht schlecht, dachte ich. Entspannte Körperhaltung, gute Klamotten, gute Laune.
    So muss man aussehen, wenn man drei Stunden zuvor noch Sex hatte. Dieser Mann tat mir gut. Und er machte mich schön.
    Charlotte lächelte. Edith schwieg.
    Kurz darauf steuerte ich mit Kaffee, Brötchen und Wasser für die Kopfschmerztablette auf den einzigen freien Tisch der Cafeteria
     zu.
    »Du bist die Einzige, die hier allein sitzt. Jeder hat seinen Liebsten dabei.«
    Ich schluckte Ediths anklagende Stimme mit der Tablette runter.
    Am Nebentisch saß so ein Jeder mit seiner Liebsten. Beide waren Mitte vierzig, sie saßen sich gegenüber, zwischen ihnen ein
     Tablett, auf dem das Frühstück stand, das sie sich teilten.
    Ihren Gesichtern nach zu urteilen, wurde hier nicht aus Liebe, sondern aus Kostengründen geteilt. Sie guckte ihm mit schmalen
     Augen jeden Bissen in den Hals, er würdigte sie keines Blickes. Geredet wurde nicht.
    Wahrscheinlich waren sie seit zwanzig Jahren verheiratet und hatten so viel Alltag und so wenige Gespräche, dass sie gar nicht
     mehr wussten, ob sie sich überhaupt noch mochten. Zweisamkeit um jeden Preis.
    Dabei fiel mir Nina ein.
    Wir hatten uns in den letzten Wochen selten gesehen, das Sportzentrum, in dem wir Squash spielten, wurde seit vier Wochen
     renoviert. Am letzten Freitag hatte Nina mich angerufen. Sie schlug vor, auf dem Weihnachtsmarkt am Rathausmarkt einen Glühwein
     zu trinken,

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