Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
Vom Netzwerk:
zusammen, aßen viel, tranken viel und redeten ununterbrochen. Ich konnte mich kaum daran erinnern,
     wann ich das letzte Mal so viel Spaß mit dieser Anzahl von Gästen gehabt hatte. Richards Anruf hatte mein Herz beruhigt, diese
     Runde beruhigte meinen Kopf.
     
    |189| Gegen Abend begann der allgemeine Aufbruch. Marleen hatte sich den nächsten Tag freigenommen, sie übernachtete bei mir, von
     den anderen verabschiedete ich mich gerührt.
    Ines und Dorothea boten noch ihre Hilfe beim Aufräumen an, Marleen und ich lehnten sie ab.
    »Das machen wir schon, ich habe mit Christine überhaupt noch nicht geredet, ihr seht sie ja in Hamburg dauernd, lasst uns
     mal allein.«
    Ich umarmte Dorothea und Ines. »Danke, euch beiden, das war der schönste Geburtstag seit Jahren.«
    Sie waren die letzten Gäste. Als die Tür hinter ihnen zufiel, blieben Marleen und ich allein zurück. Wir sahen uns in der
     Wohnung um, holten beide tief Luft beim Anblick des Chaos.
    Marleen schob die Ärmel ihres Pullovers hoch und sah mich an.
    »Los, lass uns anfangen. Wir machen jetzt klar Schiff und dann den Champagner auf, den ich mitgebracht habe.«
     
    Eine Stunde später saßen wir in der aufgeräumten und geputzten Küche, zwischen uns einen Kühler mit einer offenen Champagnerflasche.
     Wir hatten Kerzen angezündet, überall standen Vasen voller Blumen. Ich fühlte mich sehr wohl, der Tag war großartig, meine
     Wohnung schön, es waren nur Menschen um mich gewesen, die ich mochte, sie hatten sich auch untereinander gemocht, es hatte
     etwas Leichtes und Unangestrengtes gehabt wie schon lange nicht mehr.
    Marleen streckte ihre Beine aus, griff nach meinen Zigaretten und zündete sich eine an.
    »Ich rauche immer nur, wenn ich mit dir zusammen trinke. Ich muss dir mal eine Schachtel mitbringen.«
    Ich schob ihr einen Aschenbecher hin. »Untersteh dich.«
    Marleen lächelte, sah mich an. »Bist du stolz?«
    Ich dachte über ihre Frage nach. »Auf mich? Ich weiß es nicht. Aber auf die ganzen Leute, die heute hier waren, auf die bin
     ich stolz. Es tut gut, dieses neue Leben.«
    |190| Marleen schenkte Champagner ein. »Ich habe es dir damals gesagt, an deinem Geburtstag lachen wir darüber. Und ich bin stolz
     auf dich.« Sie prostete mir zu.
    Wir tranken beide und verfielen in ein friedliches Schweigen. Durch meinen Kopf zogen Bilder. Marleen und ich in ihrem Haus,
     an dem Tag, als sie mir alles erzählte, Bernd und ich in ihrem Garten, der Flaschencontainer, der Postfachantrag, Luise und
     das Stilwerk, dann plötzlich Richard.
    Ich spürte, dass Marleen mich beobachtete. Als ich hochblickte, fragte sie mich.
    »Jetzt erzähl mal. Irgendetwas ist doch mit dir. Ich wollte dich schon seit Wochen am Telefon fragen, aber du weichst immer
     aus. Wo bist du beispielsweise mittwochs? Ich kann dich da nie erreichen, das fiel mir schon letzten Monat auf.«
    Ich sah sie an, hörte kurz Franziskas Stimme, holte tief Luft und fing an. »Vor sechs Jahren habe ich in Berlin einen Kollegen
     von Georg kennen gelernt. Er heißt Richard.«
    Ich erzählte die ganze Geschichte, bemühte mich um die richtige Chronologie und eine sachliche Stimme. Meine Gefühle deutete
     ich nur an, dafür beschrieb ich Richard, zitierte unverbindlich witzige Sätze von ihm, schilderte seinen Job, seine Wohnung,
     sein Leben.
    Es tat mir schon gut, von ihm zu reden.
    Als ich geendet hatte, nahm Marleen sich eine zweite Zigarette. Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten. Einer möglichen
     Verurteilung versuchte ich vorzubeugen.
    »Marleen, ich weiß, was du sagen willst. Ich dränge mich in eine Ehe, ich bin nicht anders als Antje, das geht alles sowieso
     schief, ich muss doch nicht nach meinen Erfahrungen jetzt die heimliche Geliebte geben, ich   …«
    Sie unterbrach mich mit erstauntem Gesichtsausdruck. »Du weißt doch überhaupt nicht, was ich sagen will. Vielleicht lässt
     du mich selbst reden?«
    »Entschuldigung. Ich nehme es zurück.«
    Marleen lächelte, dachte kurz nach. »Ich habe dein Gesicht |191| gesehen, als du von ihm geredet hast. Und ich habe ein bisschen zwischen den Zeilen gehört. Ich finde, der Rest ist erst mal
     egal. Wenn es dir gut tut, wenn du Herzklopfen hast und dich wieder lebendig fühlst, dann lass es zu. Dann ist es jetzt richtig.«
    Ich dachte an Franziskas Geschichte und an ihre Warnung. »Als ich vorhin mit Franziska in der Küche war, hat sie mir ihre
     Geschichte erzählt, zur Abschreckung. Bevor sie ihren Mann kennen

Weitere Kostenlose Bücher