Ausgeliebt
besser machen. Komm,
das war ein Scherz, du kannst auch sofort wieder heiraten, das ist ab heute alles rechtskräftig.«
Stefan und Bernd standen neben uns. Rüdiger gab beiden die Hand, stieg in sein Auto und fuhr los.
Ich verabschiedete mich von Stefan, der in Bernds Auto einstieg. Bernd wirkte unbeholfen.
»Also dann, Christine, mach’s gut, wir telefonieren.«
Er beugte sich ungeschickt vor und küsste die Luft neben meinem Ohr.
Unsäglich, dachte ich. Und ich war ein bisschen traurig.
Ich merkte, dass er mir hinterherblickte, als ich zu meinem Auto ging.
Als ich im Auto saß und in Richtung Hamburg fuhr, wartete ich auf Gefühlswellen, die mich erfassten. Es passierte nichts.
Ich dachte an die Verhandlung wie an einen Film, den ich gesehen hatte. Das unwirkliche Gefühl blieb. Es hatte nichts mit
meinem realen Leben zu tun, es war wirklich nur formal gewesen. Die Verletzungen, die Trauer, die Ängste und die Anfänge hatten
vor einem Jahr stattgefunden. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit und des Gerichts.
Ich fühlte mich leicht, ich war froh, dass dieser Schlusspunkt gesetzt war.
Eine Stunde später fuhr ich auf den Parkplatz der Buchhandlung. Ich war nicht ganz pünktlich, ich hatte den Wochenendverkehr
unterschätzt.
Als ich die Buchhandlung betrat, wirkte die sonst so nette Buchhändlerin genervt.
»Ich habe extra meine Mittagspause verkürzt und dann kommen Sie eine halbe Stunde zu spät, das ist doch sonst nicht Ihre Art.
Ich bin ein bisschen ärgerlich.«
|214| Ich entschuldigte mich, packte meine Unterlagen aus, setzte mich an den Tisch und lächelte sie an.
Sie war noch nicht fertig. »Und dann ist mit der letzten Bestellung was schief gegangen. Das wollte Frau Petersen mit Ihnen
besprechen, aber sie konnte nicht so lange warten. Das ist auch schlecht.«
Ich wollte freundlich bleiben, aber langsam machten sich die nervlichen Anstrengungen dieses Tages bemerkbar. Meine Stimme
blieb ruhig.
»Frau Schmidt, ich habe mich eine halbe Stunde verspätet. Das tut mir leid, aber ich habe es nicht früher geschafft.«
»Dann müssen sie Ihre Termine nicht so eng legen.«
Ich blieb immer noch ruhig. »Das ging heute nicht anders.«
»Ja, ja, wahrscheinlich war das wieder mal eine Großbuchhandlung, die kleinen Buchhändler sind Ihnen auch egal, da kann man
ruhig zu spät kommen.«
»Es war ein Amtsgericht.«
»Was?«
»Ich hatte um 11 Uhr meinen Scheidungstermin. Im Namen des Volkes. Ich komme direkt von dort.«
Frau Schmidt zuckte zusammen. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder, setzte sich langsam hin, legte ihre Hände an ihre
Wangen und sah mich schuldbewusst an.
Mir tat es fast leid, dass ich sie so geschockt hatte. Eilig sagte ich, dass es nur noch formal gewesen wäre, dass die Trennung
bereits über ein Jahr zurückläge und es mir heute gut ginge.
Frau Schmidt wollte trotzdem mehr wissen. Ich antwortete freundlich und es hörte sich an, als würde ich über eines der Bücher
reden, die ich ihr vorstellte. »Das war die banale Geschichte zweier Menschen, die für eine Weile zusammenpassten und dann
feststellten, dass sie sich geirrt hatten. Und die sich dann unspektakulär und ohne große Szenen getrennt hatten. Die Trennung
verlief wie ihre Ehe.«
Der Termin dauerte zwei Stunden. Anschließend war Frau Schmidt beruhigt und ich wieder im normalen Leben.
|215| Auf dem Rückweg nach Hause dachte ich über die banale Geschichte nach. Man konnte es wirklich so zusammenfassen. Wir hatten
uns geirrt. In den ersten Jahren war das nur nicht aufgefallen, damals gab es noch gemeinsame Ziele, die das verwischten.
Bernds Studium, mein Job, der erste Urlaub, die ersten Anschaffungen, das Haus. Als alles erledigt war, blieben wir übrig.
Das reichte keinem von uns.
Ich dachte an Richard. Wir sahen uns nicht mehr so häufig, was an meiner Vertreterreise und seinen Terminen lag. Wenn wir
uns sahen, war es großartig, ich hatte mit Bernd nie derartig intensive Abende und Nächte verbracht. Es gab feste Regeln,
die sich daraus ergaben, dass er nur während der Woche in Bremen und somit für mich zu anderen Zeiten nicht erreichbar war.
Manchmal fiel es mir schwer, mich an diese Spielregeln zu halten, manchmal war die Sehnsucht größer. In den Richard freien
Zeiten dachte ich ab und zu an Franziska und fühlte mich allein, dann erinnerte mich Charlotte an meine langweilige und sprachlose
Ehe.
»Das, was du mit Richard erlebst, ist immer
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