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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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versuchst du es nicht? Ich kann die Sonne abdecken.«
    »Ich klettere nicht auf den Baum«, sagte ich, »aber ich schaue nach.« Wir tauschten die Plätze. Bei den beiden Wörtern in der oberen Zeile war ich sicher, und zusammen mit dem Wort »Stadt« in der folgenden Zeile bedeutete es: »Starb bei der Verteidigung der Stadt …« Ich starrte die Schrift lange an, und als sie vor mir verschwamm, bildete sich aus den Buchstaben ein unscharfes, aber lesbares Wort. »Es könnte Howe heißen«, sagte ich, »aber ich glaube, es ist Havre. Ich glaube, er starb bei der Verteidigung der Stadt Havre.«
    » Sie. Meine Großmutter war ein Mädchen. «
    Ian merkte sich den Grabstein, oder zumindest das, von dem wir glaubten, dass es darauf stand, und fragte, ob wir eine Bibliothek finden könnten, um die Daten der Stadt zu überprüfen. Also setzten wir uns ins Auto und fuhren zuerst Richtung Westen, dann nach Süden, ohne uns von Pater Diggs zu verabschieden und ohne die Grenzen zu einem neuen Leben zu überschreiten.
    Das lief uns nicht weg. Ich könnte ihn in den Kofferraum stecken und den Motor aufheulen lassen. Ich könnte ihn in der Kirche zurücklassen und den Motor aufheulen lassen. Aber ich wusste, dass ich das nicht tun würde. Ich hatte jeden Schwung verloren, den ich je besessen hatte, auch wenn es nie viel gewesen war. Fast schämte ich mich, dass ich mich so an Amerika klammerte, wenn es doch so wenig gab, woran es sich zu klammern lohnte. Es stimmte schon, dass ich hier meine Eltern hatte, aber sie würden mich überall besuchen kommen. Ich hatte Ian, aber nicht mehr lange. Ich hatte keine Freunde. Auch die, von denen ich gedacht hatte, sie wären welche, waren es nicht. Was ist ein halber Russe? Ein halber Amerikaner. Was ist ein halber Amerikaner? Nur ein halber Ausreißer.

34
    Der Kampf um Havre
    Wir fanden eine Bibliothek in einem weißen Backsteingebäude, zwei Städte entfernt, in Lynton, mit einem Golden Retriever, der im Eingang schlief. Ich erzählte der Bibliothekarin von dem Grabstein (unter Vermeidung von Pronomen, für den Fall, dass Ian einen Anfall bekommen und die Kontrolle verlieren würde) und fragte sie, ob sie etwas von Kämpfen wisse, die um 1800 in dieser Gegend stattgefunden hatten. Sie war eine Frau mit einem ausdruckslosen Gesicht und glanzlosen Haaren, die mir beim Sprechen schläfrig auf die Schulter schaute. »Alles, was ich weiß, ist, dass es die ganze Zeit immer mal wieder Kämpfe gab, und zwar mit den Kanadiern, wegen des Grenzverlaufs. Manche dieser Streitereien waren ziemlich klein, nur eine Familie gegen eine andere Familie, um die Wahrheit zu sagen. Es gibt nicht viel schriftliches Material, aber Sie können es versuchen.«
    »Haben Sie von einer Stadt gehört, die Havre heißt?«, fragte ich. »Oder vielleicht Howe? Ich nehme an, hier in Vermont?«
    Sie seufzte und schaute dabei auf Ians Schulter. »Nun, all diese Namen haben sich verändert. Manchmal haben die Einwohner, wenn sie die Franzosen weggejagt hatten, ihren Städten englische Namen gegeben. Jetzt könnten es irgendwelche Namen sein, oder die Stadt könnte einfach verschwunden sein. Viele Siedler kamen, versuchten es mit Ackerbau, erlebten, wie hart die Winter waren, und zogen davon. Manchmal haben sie eine ganze Stadt aufgegeben.«
    »Wir haben darüber gelesen«, sagte Ian.
    »Ich möchte Sie nicht entmutigen, aber wenn Sie diese Stadt nicht auf einer Landkarte finden, nehme ich stark an, dass es sie nicht mehr gibt.« Sie ließ uns allein.
    Erfolglos suchten wir den ganzen Nachmittag, die Bücher und die Internetrecherche bestätigten lediglich das, was die Bibliothekarin zum Thema Grenzstreit gesagt hatte. Wir suchten nicht nur Havre oder Howe, sondern jeden Ort mit einem ähnlich langen Namen. Aber nichts passte. Wir suchten auch nach Haven, das, wie ich sicher annahm, die Übersetzung von Havre war, und auch nach Harbour, weil ich das ebenfalls für möglich hielt. Ich war zu müde, um mir ein französisches Wörterbuch zu suchen. Es gab tatsächlich eine kleine Stadt namens New Haven, wahrscheinlich noch kleiner und weniger gelehrt als das New Haven, das Yale umgab. Sie lag ungefähr sechzig Kilometer im Süden. »Etwas Besseres habe ich nicht gefunden«, sagte ich und zeigte es Ian. »Und es klingt sinnvoll, dass sie, als sie gewonnen hatten, ihrer Stadt einen englischen Namen gaben. Und um den Sieg zu feiern, nannten sie sie ›neu‹.« Es hörte sich nicht unbedingt richtig an, aber ich war mehr darauf

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