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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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und den Subarus an der Schwelle zu ihrem neuen Leben waren – die Taschen voller kanadischer Münzen, und aus ihren Radios drangen Freiheitslieder. Sie waren wie Siedler, die sich aufmachten, Kanada zu kolonialisieren, als wäre es das neue Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Sie würden in den Prärien und an den Küsten ihre Lager aufschlagen. Sie würden sich von Kabeljau und Möwen ernähren. Ich würde zu ihnen stoßen. Ich würde Ian zurücklassen, nicht bei den Grenzpolizisten, aber vielleicht vor der Tür des Pfarrhauses. Dann würde ich mich meinen Mitpilgern anschließen.
    Aber ich würde diejenige sein, die ein Geheimnis hatte, das Geheimnis, das ich von meinem Vater verinnerlicht hatte. Du nimmst dein Land immer mit dir mit. Du denkst, du könntest Russland verlassen? Dann passiert es, dass du die Wäsche klaust, die von der chemischen Reinigung zurückkommt, und Zigarren auf dem Schwarzmarkt kaufst, der den kubanischen Kommunismus unterstützt. Glaubst du, du könntest Amerika verlassen? Los, versuch’s doch!
    Was sind drei Amerikaner? Eine Revolution. Was sind zwei Amerikaner? Eine geteilte Nation. Was ist ein Amerikaner? Ein Ausreißer ohne Ziel.
    Ich werde mein Geheimnis für mich behalten und das beobachten, was, wie ich weiß, geschehen wird. Wir Siedler werden eine Stadt auf einem Hügel die unsere nennen. Langsam werden wir die eingeborenen Kanadier in Reservate in Yukon abschieben. Die freundlicheren von ihnen werden uns zeigen, wie man nach Erdöl bohrt. Sie werden uns Montreal für eine Handvoll Glasperlen verkaufen.
    Nach einigen Generationen wird man kaum noch einen echten Kanadier finden. Unsere Kinder werden sich an Halloween als Kanadier verkleiden. Wir werden unsere Sportclubs nach ihren gefallenen Anführern benennen.
    Unsere mutige kleine Nation wird wachsen. Die globale Erderwärmung wird unser Wetter in ein tropisches Klima verwandeln. Amerika, verbrannt und verbraucht, wird verfallen. Andere Länder werden das Neue Kanada beneiden. Können wir etwas dafür, dass unsere Kinder schöne Zähne haben? Können wir etwas daran ändern, das glorreiche Licht der Nationen zu sein? Irgendjemand muss die Welt ja beherrschen.
    Schon bald wird unser Präsident das göttliche Recht für sich beanspruchen und Bomben fallen lassen. Wir werden einen tiefen Selbsthass entwickeln.
    Alles wird kaputtgehen. Auch werden wir keine Bäume mehr haben.
    Einige von uns, die Träumer, werden sich in Schlauchbooten nach Grönland aufmachen. Grönland, das Land der Möglichkeiten. Die ersten zweihundert Jahre werden großartig sein.
    Irgendwie hatte ich in den letzten Tagen in der Illusion gelebt, die Verantwortung zu tragen. Ich hatte das Gefühl, eine Entscheidung treffen zu müssen – kämpfen oder fliehen, bleiben oder gehen –, während tatsächlich Ian die ganze Zeit bestimmt hatte, wo es langging. Und das natürliche Ende unserer Reise war nicht die Sackgasse dieser kurvenreichen Straße in Vermont, sondern das, was Ian entscheiden würde.
    »Hör zu«, sagte ich schließlich, »wie heißt die Stadt, in der deine Großmutter lebt?« Ich wartete auf einen Trotzanfall.
    »Mankson«, sagte er, rutschte hinunter auf die vordere Stoßstange und lächelte mich an, als hätte er ein Spiel gewonnen. Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, was er machen würde, wenn wir dort ankamen.
    »Okay, dann fahren wir.«
    »Wir sind schon dort «, sagte er und schlug die Zähne aufeinander wie ein Affe. »Ich kann es kaum erwarten , meine Großmutter zu sehen!«
    »Wir sind schon da?«
    »Da war ein Schild! Hast du es nicht gesehen? Da stand ›Mankson‹ drauf, ›Mankson, Vermont, Heimat der Gemeinde Starker Elch ‹! Ich habe mir das eingeprägt.«
    »Und wie ist ihre Adresse?«
    »Nun, ich habe vergessen, dir etwas zu sagen. Sie ist tot. Ich wollte nur ihr Grab besuchen. Und rate mal, wo sie begraben ist?«
    »Hier auf diesem Friedhof?«
    »Ja! Vermutlich!«
    Mit der Art, wie er von der Motorhaube sprang, wie er eine riesige Show daraus machte, als er zum Lattenzaun zurücklief und den Friedhof inspizierte, als wollte er sich an irgendetwas erinnern, hätte er die dümmste Hilfslehrerin der Welt nicht täuschen können.
    Ich fühlte mich kräftig genug, um zu gehen, obwohl ich dringend etwas zu essen gebraucht hätte. Ich folgte ihm zum Zaun und öffnete das Schwingtor, wir traten ein und gingen über das tote, gefrorene Gras und die Furchen von schmelzendem Schnee. Es war ein kleiner Friedhof mit

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