Ausgeliehen
ich Hilfe ablehnen konnte. Eine kleine Hilfe unter Kriminellen.
»Sie gehen beide hinaus«, sagte er, »in die frische Luft. Sie probieren das Handy, ja, und dann verabschiedet euch. Ich rauche eine Zigarette und bin hier, wenn der Bus abfährt.«
Langsam, ungläubig, gingen wir hinaus in die Kälte, um unseren Plan zu besprechen. Nun, da es wirklich geschehen würde, da die Fahrkarten gekauft waren, schien alles viel zu schnell zu gehen. Aber es gab keinen Grund, zu warten, und auch keine Entschuldigung. Je eher er nach Hause kam, umso schneller würde die Polizei aufhören, nach ihm zu suchen und Beweise zu sammeln. Bestimmt hatten sie dringendere Fälle.
»Ist das für dich okay?«, fragte ich.
»Dieser Typ ist echt cool! Warum hat er Angst vor deinem Vater? Glaubst du, dass das hier wirklich funktioniert?«
Ich nahm das Handy und wählte meine eigene Nummer. Es funktionierte. Ich speicherte meine Nummer auf seinem Handy, unter dem Namen Laura Ingalls, und wir setzten uns auf eine mit Kaugummis vollgeklebte Bank außerhalb der Hörweite von vier anderen Leuten, die mit ihren Koffern auf den Bus warteten.
»Wir brauchen eine Geschichte«, sagte ich. »Und es sollte eine gute sein.«
Ich erinnerte mich an eine Übung, die wir einmal im Spanischunterricht an der Highschool machen mussten. Wir sollten so tun, als wären wir wegen Mordes angeklagt, und immer zwei mussten sich auf Spanisch verteidigen, mit einem wasserdichten Alibi. Danach wurden wir einzeln vom Rest der Klasse verhört, während der jeweilige Partner im Flur wartete. »In welchem Restaurant?«, »Von welcher Firma war das Mineralwasser?«, »Wie war das Wetter?« Rajiv Gupta und ich dachten damals, wir würden die perfekte Geschichte vorbringen: Wir waren zum Strand gefahren und hatten die Wellen beobachtet. Nichts war geschehen, wir hatten nicht miteinander gesprochen, das Wetter war gut, wir fuhren mit einem roten Ferrari in die Stadt zurück, und das war alles. Wir hatten abgesprochen, welche Kleidung wir trugen, wie ich mich gekämmt hatte und sogar, ob der Benzintank voll war. Ich beantwortete als Erste die Fragen und schlug mich glänzend, dann ging ich in den Flur, um zu warten und meine Mathehausaufgaben zu machen. Ich weiß noch, dass ich gerade meinen Taschenrechner einschaltete, als aus dem Klassenzimmer lautes Gelächter zu hören war und Señora Valdez mich hereinrief. In einem stark akzentuierten Spanisch erklärte sie, dass, während ich die erste Frage »Welches Gewässer?« mit der geographisch logischen Antwort » el lago Michigan« beantwortet hatte, Rajiv »el Oceáno Atlántico« geantwortet hatte. Während wir alles geplant und besprochen hatten, hatte er an die Ausflüge seiner Familie nach Maine gedacht. Und ich hatte mir die Kaimauer aus Beton vor dem Haus meiner Eltern vorgestellt.
Wenigstens mussten in diesem Fall unsere Geschichten nicht übereinstimmen, denn, so Gott will, würden sie mich nie nach meiner Version befragen. »Was möchtest du ihnen erzählen?«, fragte ich.
»Ich könnte sagen, ich wäre zum Metropolitan-Kunstmuseum abgehauen, wie in Die heimlichen Museumsgäste. Das hört sich doch wie etwas an, das ein Kind macht, besonders ein Kind, das viel liest.«
»Das wird niemand glauben. Seitdem dieses Buch geschrieben wurde, sind die Sicherheitsmaßnahmen auf den neusten Stand gebracht worden. Und es war von Anfang an nur eine Fiktion. Ich glaube nicht, dass es je möglich war.« Aber übermüdet, wie ich war, in der Kälte an der Busstation, mit einem Polizisten, der in meiner Wohnung auf mich wartete, und mit dem russischen Handlanger, der auf Ian wartete, fiel mir einfach nichts Besseres ein.
»Ich könnte sagen, ich hätte alles genauso gemacht, wie die Kinder in dem Buch. Nicht in dem Ausstellungsstück geschlafen, in dem sie geschlafen haben, denn das ist bestimmt nicht mehr da, aber ich könnte sagen, dass ich mich im Klo versteckt hätte, als die Sicherheitsbeamten ihre Runden drehten. Und ich könnte sagen, ich hätte in dem Brunnen gebadet.«
»Und wie bist du dahin gekommen?«
»Mit einem Greyhound-Bus! Bis ich zu Hause bin, bin ich ein Fachmann für Busse. Ich könnte sagen, ich hätte mein Taschengeld gespart. Und ich könnte sagen, dass der Kassierer geglaubt hat, dass ich fünfzehn Jahre alt bin. Ich kann ihnen die ganze Route beschreiben, die ich gefahren bin, rückwärts! Ich werde mir alle Städte merken!«
Ich schlug mir auf die Wangen, um wach zu bleiben und nachzudenken, aber es
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