Ausgeliehen
hilfsbereiten Erwachsenen finden würde, eine Großmutter, die unterwegs nach St. Louis war und an die er sich anhängen konnte. Ich dachte daran, wie er die halbe Church Street hereingelegt hatte. Er würde zurechtkommen.
Als ich die Adresse der Greyhound-Busstation in Burlington im Telefonbuch gefunden hatte, begannen wir zu packen. Ich wollte die Busgesellschaft nicht vom Empfang des Hotels aus anrufen – das wäre, als würde man alle Beweisstücke für den Staatsanwalt fein säuberlich auf einem Silbertablett hinterlegen. Und natürlich hatte das Hotel kein Internet. Viel Moder, aber kein Internet. Wir mussten zum Busbahnhof fahren, den Fahrplan studieren und abwarten.
Auf dem Rückweg nach Burlington versuchten wir, die Einzelheiten des Plans zu konkretisieren. Ian war zappelig und rieb ständig mit den Schultern an seinen Ohren. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, und ich fragte mich, wie viel er überhaupt geschlafen hatte. Morgens zwischen vier und sieben hatte er gut geschlafen, aber natürlich hätten das die einzigen Stunden gewesen sein können, in denen er wirklich schlief.
»Bist du sicher, dass du das machen willst?«, fragte ich.
Ich wusste nicht, was ich tun würde, wenn er nun nein sagen würde. Er sagte: »Ich habe vermutlich viele Quizsendungen verpasst.« Das nahm ich als ›Ja‹. Ich hätte es nicht tun müssen, tat es aber.
Also wechselte ich das Thema. »Es kann sein, dass ich gesucht werde«, sagte ich. »Entweder jetzt sofort oder später. Auch wenn du überhaupt nichts sagst.«
Während ich das sagte, sah ich, wie Mr. Sonnenbrille ein Auto hinter uns überholte und sich an uns hängte. Seine Spionage wurde dreister, falls es wirklich eine war. Er hatte entweder einen großen Coup geplant, oder er nahm an, dass ich ihm auf die Schliche gekommen war, und hatte beschlossen, auf jede Täuschung oder Raffinesse zu verzichten.
Ian bohrte das Loch in seinem Hosenbein größer und größer. »Ich schwöre , dass ich nichts sagen werde. Aber sie könnten irgendwelche Hinweise gefunden haben. Vielleicht habe ich ja irgendetwas in der Bibliothek vergessen, eine Socke oder sonst was, und sie haben einen DNA -Test gemacht.«
O Gott im Himmel.
Meine Hände am Lenkrad wurden taub. »Ian, hast du dein Origami-Zeug aufgeräumt?« Ich hatte nicht schreien wollen.
»Welches Origami-Zeug?«
»Das Origami-Gebilde in der Pflanze! Erinnerst du dich, das abgestürzte Flugzeug und die Menschen? Als du dich versteckt hast?«
Er zog die Lippen in den Mund.
»Hast du das aufgeräumt, bevor wir weggefahren sind?«
Er schüttelte den Kopf – nein.
Der Lastwagen vor uns fuhr langsamer, um abzubiegen, und fast wäre ich auf ihn geknallt. Und Mr Sonnenbrille wäre fast in mich geknallt. Als Ian und ich wieder normal atmeten und die Gurte sich wieder gelockert hatten, sagte ich: »Vielleicht denken sie ja, die Sachen stammen von einer Bastelstunde. Da war nirgendwo dein Name darauf, oder?«
»Die anderen Frauen, die da unten arbeiten, wissen bestimmt von nichts. Sie sind beide ein bisschen dumm.«
»Das stimmt.« Sie würden doch auf den Origami-Gebilden nicht nach Fingerabdrücken suchen, oder? Und Rocky konnte nicht nach unten gehen. Es war schrecklich, sich deshalb zu freuen, aber Gott sei Dank konnte Rocky mit dem Rollstuhl nicht die Treppe hinunterfahren.
Wir entspannten uns etwas, und Ian begann, die Kühe zu zählen, an denen wir vorbeifuhren.
Ich sagte: »Auch wenn du wieder zurück bist, wirst du mich in Hannibal nicht allzu oft sehen.«
»Die andere Bibliothekarin weiß nie, an welcher Stelle sie ist, wenn sie vorliest, kein einziges Mal.«
Wir hatten noch nicht geplant, was Ian sagen sollte, und als er den Beifahrersitz nach hinten schob und die Augen schloss, war ich froh, etwas Zeit zum Nachdenken zu haben. Vermutlich würden wir in Burlington noch Zeit haben – wer konnte wissen, ob man sofort eine Fahrkarte für einen Greyhound bekam? Es könnte sein, dass wir dort einige Tage bleiben mussten, dann bliebe uns nichts anderes übrig, als mitten in der Church Street zu campen und Brotkanten von den Cafétischen zu klauen.
Bis wir ankamen, war mir noch nichts Gescheites eingefallen. Als ich das Auto einparkte, wollte ich Ian aufwecken, aber er öffnete die Augen von allein und fing an, seine Sachen zu ordnen, um sie in den Rucksack und die Plastiktüte zu packen, die er dazugenommen hatte, als ihm sein Rucksack nicht mehr reichte. Ich sah, dass er noch die Bücher über Vermont
Weitere Kostenlose Bücher