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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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durfte die Waschmaschine in der Theatergarderobe umsonst benutzen, ich konnte die Aufführungen umsonst besuchen und sogar Freunde mitbringen. Zwischen 18:00 und 23:00 Uhr durfte ich die Spülmaschine nicht anstellen und die Toilettenspülung nicht benutzen, und ich sollte in der Küche keine Schuhe tragen, weil sie sich direkt über der Bühne befand. Manchmal machte ich mir Sorgen, weil es sich anhörte, als hätten Tim und Lenny einen fürchterlichen Streit, und dann stellte sich heraus, dass sie nur für ein Stück probten.
    In jener Nacht jedoch, als ich mich angezogen auf die Matratze fallen ließ, wusste ich, dass etwas anders war als sonst. Die Probe war so laut, dass ich sie bis zu mir herauf hören konnte. Ich bekam zwar manchmal Aufführungen mit, wenn bei gutem Wetter mein Fenster offen stand und das Echo von der Wand der Bäckerei gegenüber abprallte, aber es war November. Und spät. Und das Stück war Onkel Wanja  – normalerweise keine besonders laute Angelegenheit, abgesehen von den Kanonenschüssen. Eine halbe Stunde später war ich noch immer wach, und der Lärm wurde lauter und drang die Treppe herauf, und dann klopfte jemand an meine Tür.
    Als ich aufmachte, fiel Tim praktisch ins Zimmer. Hinter ihm standen mindestens zwölf Menschen – die Schauspieler, die gelegentlichen Schauspieler, die Bühnenarbeiter und Lenny, alle lachten hysterisch, versuchten aber instinktiv, leiser zu sein, als gäbe es noch irgendjemanden im Haus, den man hätte aufwecken können. Tim sagte: »Oh Gott, Lucy, hast du geschlafen? Es tut uns so leid!«
    »Nein, nein, ich bin gerade erst nach Hause gekommen!« Ich weiß nicht, warum ich immer so darauf erpicht war, zu zeigen, dass ich nicht eine jener Bibliothekarinnen war, die jedes Fest früher verließen, um ihre Katze zu füttern.
    »Wir brauchen deine Hilfe! Du und nur du allein! Und du darfst nichts sagen!« Er lag auf dem Boden, Arme und Beine wie ein Seestern ausgestreckt, und die anderen drängten sich herein, einer trug ein schmuddeliges Hochzeitskleid über dem Arm.
    Anscheinend hatte Beth Hopkins, die rothaarige Schauspielerin, die direkt über mir wohnte, die Stadt sofort nach der Probe verlassen, und sie wollten sich wegen eines früheren Streichs, der etwas mit einem Requisitentisch zu tun gehabt hatte, an ihr rächen. Die letzten beiden Stunden hatten sie damit verbracht, jedes einzelne Foto in ihrer Wohnung nachzustellen, indem sie immer die entsprechenden Posen eingenommen hatten. Also würde ein Foto ihres Bruders, der Senator Glass die Hand schüttelte, durch ein Foto von Tim und dem Assistenten des Bühnenleiters ersetzt werden. Tim zeigte mir das Foto auf seiner Digitalkamera – beide trugen Anzüge und standen auf der Bühne. »Lenny kann mit seinem PC den Hintergrund ändern!« Auf einem anderen Foto wiegte die Frau, die zurzeit die Jelena spielte, ein Baby. Sie hatten schon fünfzehn Fotos geschafft. Sie hofften, Beth Hopkins würde einige Tage brauchen, um die Veränderungen zu bemerken.
    Lenny zeigte mir ein gerahmtes Foto. »Das bist du, okay?« Auf dem Bild war ein Brautpaar zu sehen, das in einem Ballsaal tanzte. »Du siehst genauso aus wie diese Frau. Findest du nicht? Ihr habt beide dieses Audrey-Hepburn-artige Aussehen kleiner Frauen, nur mit langen Haaren, stimmt’s?«
    Ich hatte keine große Wahl – und jetzt lachte ich auch, das Theatralische nahm mich ebenfalls gefangen. Also ging ich ins Badezimmer, um das Kleid anzuziehen, das ein bisschen muffelte, weil es vor seiner Verwendung in Viel Lärm um Nichts zum letzten Mal gewaschen worden war. Als ich zurückkam – ich fand mich selbst ein bisschen gruselig, wie Miss Havisham –, rückten sie meinen Kaffeetisch und den Fernseher zur Seite, um Platz für die Tanzszene zu machen. Ich posierte zusammen mit Lenny, dessen Hautfarbe der des asiatischen Bräutigams auf dem Foto am ähnlichsten war. Jemand hatte Ella Fitzgerald aufgelegt. Tim hielt die Kamera und dirigierte uns alle, er forderte die falschen Hochzeitsgäste auf, fröhlicher auszusehen, ihre Gesichter etwas abzudecken, soweit das ging, und zu mir sagte er, ich solle mich vor Lenny stellen und ihm in die Augen schauen.
    Sie machten drei oder vier gute Fotos, dann gingen sie aufs Dach, um dort irgendwelche nächtlichen Szenen aufzunehmen. Als sie verschwunden waren, fühlte ich mich seltsamerweise ausgelaugt. Es kam mir nicht richtig vor, mich selbst einzuladen, und außerdem musste ich am nächsten Tag arbeiten,

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