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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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Mir gefiel die Vorstellung, wie sie sich am Tag darauf bei Loraine über diese Sarah-Ann Drummond beschwerte, die sie auf der Party angesprochen hatte.
    Der Rest des Abends war ein Durcheinander mit Gin-Geschmack: ein trockenes Thunfischsteak mit glitschigem Spargel an einem Tisch mit neun Hannibal-Prominenten, die nicht aufhörten, vom Leukämie-Ball zu sprechen, eine gelallte Rede Loraines zum Thema »Wertvolle Spenden an unsere hiesigen Bibliotheken«, ein zweistündiges unerklärtes Schweigen Rockys, und superheimliche, betrunkene Blicke hinüber zu den Drakes. Mitten beim Abendessen nahm Janet einen Handyanruf entgegen, sie runzelte die Stirn, gab der Tischrunde lachend irgendeine Daisy-Buchanan-Erklärung und verließ, ihren Mann an der Hand, die Party. Das einzige Wort, das ich mit meinem außergewöhnlichen Talent zum Lippenlesen herausbekam, war »Kindermädchen«. Vielleicht aus dem Satz: »Unser Sohn hat so lange gequengelt, bis das Kindermädchen uns anruft, damit wir nach Hause kommen.«
    Ich ging auch ziemlich früh nach Hause, und wenn Rocky nicht mit mir sprechen wollte, musste er sich eben jemand anderen suchen, der ihm in seinen Kombi helfen würde. Ich hätte ihn gern gefragt, was los war, aber meine Beziehung zu Rocky war von der unterschwelligen Furcht geprägt, er könne mir plötzlich seine Liebe gestehen. Ich wusste nicht, ob das stimmte oder nicht, und hatte mir eingeredet, dass es vermutlich nicht so war. Der Gedanke war mir vor über einem Jahr gekommen, und anders als mit imaginären Gesprächen mit anderen Menschen, die ich vor dem Spiegel führte, fiel mir zu diesem kein gutes Ende ein.
    Als ich ging, legte ich ein Geldstück und meine Telefonnummer auf Glenns Flügel.
    Als ich zu Hause mein Auto parkte, war mir klar, dass die Schauspieler noch in der Probe waren: keine Lichter im oberen Stockwerk und besonders viele Autos auf dem Parkplatz. Das Gebäude (roter Backstein, zwei Städte nördlich von Hannibal) war die Heimstatt des George Spelvin Memorial Theaters, und ich war die Nachbarin von fünf Ensemblemitgliedern, alle mit einer fragwürdigen mentalen Gesundheit.
    Einer der ersten Schauspieler war Besitzer des Gebäudes gewesen und hatte es der Truppe vermacht. Es gab also keinen offiziellen Intendanten, nur Tim, den künstlerischen Leiter mit seinem kurzen blonden Pferdeschwanz. Er hatte eines Morgens am Schwarzen Brett in der Bibliothek einen Zettel mit einem Wohnungsangebot aufgehängt. Damals hatte ich ein Jahr lang in einer teuren Wohnung in Woodward gewohnt, in der es nach Buttermilch roch. Ich hatte nichts zu ihm gesagt, doch als ich abends nach Hause ging, riss ich einen kleinen orangefarbenen Abschnitt von der Anzeige ab. Morgens hatte ich gesehen, wie er selbst die ersten drei Abschnitte abgerissen hatte. Am Tag danach rief ich ihn an, und am selben Abend zeigte er mir die Wohnung.
    »Die Wände sind hauchdünn«, sagte Tim, als ich ihm durch das engste Treppenhaus der Welt nach oben folgte. »Aber wir haben jeden Abend entweder Probe oder einen Auftritt, so dass es ruhig sein müsste, wenn du nach Hause kommst.« Er drehte sich um, kratzte sich am Kopf, lächelte und sagte: »Natürlich weiß ich nicht, wie sich die Aufführungen von hier oben anhören.« Seine Zähne waren gelb. Sein Gesicht war gebräunt, aber mit dünnen, ungebräunten Linien an den Stellen, wo später die Falten sein würden, als würde er seine Tage damit verbringen, in die Sonne zu lächeln. Er ging weiter die Treppe hinauf. »Meine eigene Wohnung ist die gleich nebenan«, sagte er. »Mein Partner Lenny ist abends meist zu Hause, aber er ist sehr ruhig. Der Einzige hier, der kein Schauspieler ist. Frag mich nicht, was er tut. Ich weiß nicht einmal, wie das heißt. Es hat etwas mit Zahlen zu tun.«
    »Mir macht Lärm nicht viel aus.« Ich hatte den Fehler begangen, ihm vorher mitzuteilen, dass ich Bibliothekarin war. Wir erreichten meine zukünftige Eingangstür. »Ich arbeite in der Kinderbuchabteilung. Das ist nicht gerade eine Oase der Stille.«
    Die Wohnung war klein und museumsreif, mit quietschenden Türangeln und schweren Holzschränken in der Küche. Es roch nach Zigaretten. Hinter dem Badezimmerspiegel verbarg sich kein Schränkchen. Ich schrieb an Ort und Stelle einen Scheck aus, wobei ich ihn gegen die Wand drückte, weil es sonst keine Schreibunterlage gab, und Tim war so glücklich, dass er mich hochhob und aus der Wohnung trug.
    Es war ein Ort, an dem es sich gut leben ließ. Ich

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