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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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fast anzuheben und von der Straße zu tragen schien. Und als der Himmel aufbrach und der Wind erstarb, schickte die aufgehende Sonne rote Strahlen durch die Fenster auf ihre Haare, so dass sie aufleuchteten, als würden sie brennen. Es gab in der Nähe zwar mehrere Straßen, aber sie fanden die, die mit gelben Linien und gelegentlichen verwitterten Plakaten gekennzeichnet war, ohne lange suchen zu müssen. Binnen kurzem fuhren sie munter in Richtung Westen, der Junge gab Anweisungen, die nur seiner lebhaften Phantasie entsprangen. Die Sonne strahlte am Himmel, die Vögel sangen lieblich, und die junge Dame aus der Bibliothek summte, während sie die schwarze, glitzernde Straße entlangfuhr, und obwohl (es muss gesagt werden) ihr Gesicht etwas Angst vor der bevorstehenden Reise zeigte, fühlte sie sich nicht halb so unglücklich, wie man es erwarten sollte.
    Wir hatten uns wirklich ein bisschen verfahren. Ich hatte ihn etwas zu lange mit diesem Navigationsspiel weitermachen lassen, bis wir eine Landstraße erreichten und der Himmel so bedeckt war, dass ich die Himmelsrichtung, in die wir fuhren, nicht bestimmen konnte. Weder hatte ich einen Kompass am Armaturenbrett, noch hatte ich je einen »inneren Kompass« besessen. Und ich überlegte, dass ich wohl auch keinen besonders guten moralischen Kompass besaß. Mein Handy steckte einen halben Meter von mir entfernt in meiner Tasche. Ich hätte jetzt die Polizei anrufen können, das Auto fuhr schnell genug, so dass Ian nicht hinausspringen würde. Aber wie sollte ich erklären, dass ein Kind, das schon die ganze Nacht vermisst wurde, jetzt in meinem Auto saß, etliche Kilometer von zu Hause entfernt, und ich, Herr Polizist, keine Ahnung hatte, wo zum Teufel wir uns befanden.
    Nach etwa zwanzig Minuten hörte Ian auf, Anweisungen zu geben, und stürzte sich stattdessen in ein endloses Gerede über irgendwelche Roboter, die Hausarbeiten erledigen konnten, und wie lange es dauern würde, einen ganzen Baum aufzuessen, wenn man ihn im Mixer zu einem Milchshake pürieren würde. Falls er es darauf angelegt hatte, mich mein Zeitgefühl verlieren zu lassen, dann war es ihm gelungen. Ich hatte Hunger, und als ich auf die Uhr schaute, war es zweiundzwanzig Minuten nach zehn. Ich hatte noch nicht einmal gefrühstückt – ich hatte vorgehabt, mir vor Öffnung der Bibliothek im Laden gegenüber einen Bagel zu kaufen.
    Ich bog in eine Straße ein, die etwas belebter zu sein schien, und hoffte, eine Tankstelle zu finden.
    »Ich habe nicht gesagt, dass du hier abbiegen sollst!«
    Ich log. »Auf der anderen Straße wären wir nur im Kreis gefahren. Ich dachte, du wolltest mich nicht im Kreis fahren lassen.«
    »Du bist schuld, wenn wir uns verfahren!« Er schien wirklich verärgert zu sein, fast panisch, und einen Moment lang überlegte ich, ob er uns nicht doch zu seiner Großmutter dirigierte. Doch nein, er hatte bloß Angst, ich würde ihn nach Hause bringen wollen.
    »Wir brauchen Benzin«, sagte ich. Als er sich über meinen Sitz beugte, sah er, dass die Tanknadel auf »leer« stand. Sie war schon seit zwei Jahren kaputt, so dass ich mir die gefahrenen Kilometer zwischen dem Tanken merken musste, doch wenn ich nun darüber nachdachte, musste der Tank tatsächlich mehr oder weniger leer sein. Wir hielten bei einer Texaco-Tankstelle, und während ich tankte, dachte ich, wenn ich zum Bezahlen hineingehe, könnte ich das Handy mitnehmen und irgendjemanden anrufen, ohne dass Ian es hören würde. Vielleicht Rocky, um ihm zu erzählen, was los war. Doch in der letzten Zeit war er nicht besonders freundlich zu mir gewesen und er glaubte ja, ich sei von Ian besessen. Ich war mir nicht sicher, ob er mir die Geschichte abnehmen würde. Wie ich die Drakes anrufen sollte, wusste ich nicht. Ich hätte die Polizei anrufen und mir irgendetwas ausdenken können, ich hätte ihnen erzählen können, Ian sei vor meiner Wohnungstür aufgetaucht und es würde wohl eine Weile dauern, bis ich ihn beruhigt haben würde, aber ich würde ihn in einer oder zwei Stunden zur Polizeistation bringen. Dann könnte ich mir eine Straßenkarte kaufen oder nach dem Weg fragen und mich schnell auf den Rückweg machen.
    Ich öffnete meine Tür und sagte: »Ich gehe hinein, um etwas zum Essen zu kaufen. Brauchst du etwas?«
    Er streichelte seinen Rucksack. »Ich habe Erdnussbutter, Gelee und Crackers dabei, das reicht für hundert Sandwichs, auch wenn sie klein sind. Und dann habe ich auch noch meine

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