Ausgelöscht
geschenkt hat. All die Jahre über, als er sich keinen Pfifferling um mich geschert hat, hatte sie ihn für sich allein.« Er rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. »Sie hat mich bei dieser Sache reingelegt, wenn Sie’s genau wissen wollen.«
Hier konnte Clevenger womöglich den Hebel ansetzen. »Indem sie dich den Abschiedsbrief bei George Reese im Büro hat abliefern lassen?«
Er nickte. »Es war nur eine Frage der Zeit, bis mein Dad dahinter kommen würde. Was wahrscheinlich der Grund ist, warum er die letzten zwei Wochen nicht mit mir gesprochen hat.«
»Hat dir das wehgetan?«, fragte Clevenger.
»Ich bin daran gewöhnt«, erwiderte er. Aber seine Stimme verriet, dass er tief drinnen, unter den letzten Resten des Oxycontin, große Schmerzen litt.
Es klopfte. Ein Pfleger öffnete die Tür und kam herein. In der Hand trug er einen kleinen Pappbecher mit einer klaren Flüssigkeit – Snows Methadon. Er trat an den Tisch und reichte es ihm.
Kyle trank es und gab den Becher zurück. »Danke.«
Clevenger wartete, bis der Pfleger wieder gegangen war. »Ich nehme an, dass es wehgetan hat – wieder von deinem Vater ignoriert zu werden, nachdem ihr beide euch endlich näher gekommen wart.«
»Ich hab ihm sein neues Ich nie wirklich abgekauft«, wehrte er wenig überzeugend ab.
»Nein?«
»Ich meine, jemand wünscht sich, du wärst nie geboren worden, und dann tut er plötzlich so, als wär er dein bester Kumpel? Wer’s glaubt, wird selig. Er schwebte auf Wolke sieben, das war alles. Er war high von Grace. Also hat er ein bisschen was von seinem Glück unters Volk verstreut. Aber es ging nie wirklich um mich. Es ging um ihn – und sie.«
»Wusstest du über das Porträt im Wohnzimmer Bescheid?«
»Lindsey hat es mir erzählt, sobald sie es herausgefunden hat. Sie hat sich überhaupt nicht wieder einkriegen können.«
»Und du?«
»Ehrlich gesagt, ich fand’s cool.«
»Cool?«
»Sie kapieren es immer noch nicht. Mein Dad war nichts weiter als eine Maschine. Ein Computer. Dateneingabe, Datenausgabe. Die Ehe meiner Eltern war eine große Lüge. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, aber Grace Baxter hat ihn wieder zum Leben erweckt. Er hätte ihr Porträt als ein verdammtes Plakat getragen, wenn sie es von ihm verlangt hätte.«
Clevenger starrte Kyle einen Moment lang an. »Rundheraus gefragt«, sagte er schließlich. »Bist du froh, dass er tot ist?«
Kyle antwortete nicht.
Clevenger wartete.
»Ich schätze, er fehlt mir«, sagte er. »Aber er hat mir mein ganzes Leben lang gefehlt. Dass er tot ist, macht es ehrlich gesagt besser.«
»Wie macht es die Dinge besser?«
»Er behandelt mich nicht mehr wie den letzten Dreck.«
Kyle Snow präsentierte ein psychologisches Motiv für Mord. Seinen Vater zu töten hätte den Mann aus seinem Leben entfernt, dessen Gegenwart als beständige Erinnerung daran diente, wie kaputt und ungeliebt er war. Vielleicht hatte er schlicht den Schmerz, dass sein Vater sich ihm erst annäherte und dann wieder zurückzog, nicht ertragen können. Vielleicht hatte das genügt, ihn explodieren zu lassen. Aber Kyle schien sich seiner Gefühle sehr bewusst – und war schonungslos ehrlich, was sie anging –, in einer Weise, die dagegen sprach, dass er sich zum Mord getrieben fühlte. Und sein Zugriff auf Oxycontin bedeutete, dass er ständigen Nachschub eines Medikaments hatte, das seine Wut in Zaum hielt. »Glaubst du, dass dein Vater Selbstmord begangen hat?«, wollte Clevenger wissen.
»Er mag die Pistole abgefeuert haben. Aber das ist bedeutungslos.«
»Was meinst du damit?«
»Auch wenn er selbst den Abzug gedrückt hat, wir haben ihn auf dem Gewissen. Lindsey, ich, sein Partner Collin.« Er lächelte verkniffen. »Haben Sie Collin schon kennen gelernt?«
»Habe ich«, sagte Clevenger.
»Der Kerl ist ein mieser Hund. Wissen Sie, dass er Lindsey erzählt hat, dass Grace und mein Dad eine Affäre hatten?«
»Ja«, bestätigte Clevenger.
»Gut. Sie haben offensichtlich Ihre Hausaufgaben gemacht. Also, ich stelle mir die ganze Sache so vor. Er ist eine Weile lang mit Grace lebendig geworden, hat zum ersten Mal geatmet. Irgendwie so, als wäre er neu geboren worden. Und wir haben seine Luftzufuhr gekappt und ihn erstickt.«
»Ihr habt ihn in den Selbstmord getrieben.«
»Sie haben’s kapiert. Deshalb habe ich ja gesagt, dass das Ganze total irre ist. Ich meine, da war ich und wollte ihn erschießen, und es war gar nicht nötig.«
Clevenger nickte. Das
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