Ausgeloescht
dienen?
Ich höre ein schwaches Geräusch im Korridor. Das Licht im Raum geht an, und ich schreie erschrocken auf, als die Welt in Weiße verschwindet. Ich bin wieder blind, diesmal vom Licht geblendet statt von der Dunkelheit. Ich drücke mir die Handballen auf die Augen, sehe aber nur Flecken. Ich höre, wie die Tür sich öffnet. Dann wird mir etwas gegen den Hals gedrückt. Im nächsten Augenblick durchzuckt mich ein Elektroschock. Meine Muskeln verkrampfen, und ich schreie vor Schmerz auf. Er lässt nicht nach, der Hurensohn. Ich spüre, wie meine Blase sich entleert, dann verliere ich das Bewusstsein.
Sekunden später komme ich zu mir. Ich liege mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Ich versuche etwas zu sagen, bringe aber nur ein heiseres Stöhnen hervor. Ich spüre, wie mir eine Kanüle in die Armbeuge gestochen wird. Dann strömt etwas in meine Adern. Ein heftiges Schwindelgefühl überfällt mich, dann bin ich wieder blind, überwältigt von einem Strudel aus Wärme und Weiß.
Als ich wieder zu mir komme, bin ich nackt und mit dem Gesicht nach unten an einen Stahltisch gefesselt. Ich trage eine Augenbinde. Mein Kopf wird schnell klar. Was immer er mir gespritzt hat, baut sich rasch ab.
Ich krümme mich innerlich zusammen vor Scham wegen meiner Verletzlichkeit und Nacktheit, die mir nur zu vertraut ist. Obwohl ich weiß, dass er nicht auf Vergewaltigung aus ist, kann ich nur daran denken, dass ich wieder in genau der Situation bin, in die ich nie mehr geraten wollte. Ich hatte es mir geschworen. Doch nun ist es wieder so weit: Ein Mann, der nicht mein Mann ist, betrachtet meinen Körper, sieht seine Schönheit und seine Makel.
Ich möchte mich übergeben vor Verzweiflung.
Überall tut es mir weh. Meine Augen und meine Kehle fühlen sich vom Pfefferspray geschwollen an. Meine Handgelenke sind von den Handschellen wund gerieben. Schmerzhafte Stiche, die sich schon bald in wirklich üble Kopfschmerzen verwandeln werden, schießen mir durch den Hinterkopf.
»Das ist nur eine Demonstration«, sagt Dali.
Er klingt jetzt nicht mehr gelangweilt. Sein Tonfall hat sich ein wenig verändert. Er hört sich zwar nicht erregt an, aber aufmerksam, gespannt. Was immer er vorhat, ist von Wichtigkeit für ihn. Es verdient seine Konzentration.
Mir bricht der Schweiß aus.
»Wir alle sind nur Fleisch und Blut, verstehst du? Wir sind Kreaturen. Tiere. Wir können uns selbst etwas vormachen, aber letzten Endes lebt Pawlows Hund in jedem von uns. Wenn du willst, dass jemand dir gehorcht, brauchst du nur die Fähigkeit und die Möglichkeit, ihm mehr Schmerz zuzufügen, als er ertragen kann. Es genügt aber nicht, davon zu sprechen. Du musst es ihm beweisen. Wenn du es oft genug beweist, wird er folgsam. Appelliere an seine Angst, nicht an seinen Intellekt. Furcht ist weitaus verlässlicher.«
Ich rieche etwas. Der Geruch ist nicht unangenehm - der Duft eines Rasierwassers, schwach, aber erkennbar.
»Das Wichtigste ist, dein Versprechen zu halten. Wenn du sagst: >Tu das nicht<, und jemand tut es doch, muss die Strafe folgen. In deinem Fall habe ich dir befohlen, dich von mir fernzuhalten. Stattdessen hast du beschlossen, mich zu jagen. Deshalb musst du bestraft werden, und deine Bestrafung wird für andere eine Abschreckung sein.«
»Das ist Irrsinn, Dali. Machen Sie sich eine Vorstellung, wer ich bin? Der Direktor des FBI hat mich gerade erst dazu bestimmt, eine nationale Sondereinheit zu leiten, die gegen Serientäter ermittelt. Ich bin eine Bundesagentin, die dem Präsidenten persönlich bekannt ist. Man wird nach mir suchen, mit allen Mitteln.«
Plötzlich verlässt mich der Mut. Ich kann das ängstliche Schwanken meiner Stimme hören, und ich verabscheue mich für meine Schwäche. Später, falls ich entkomme, werden andere mir in beschwichtigendem Tonfall sagen, dass es nicht meine Schuld war, aber das wird keine Rolle spielen.
»Sie können ruhig suchen, sie werden dich nicht finden. Wenn mein Name das nächste Mal auftaucht, werden sie sich erinnern, was mit einer ihrer Besten passiert ist, und werden es sich zweimal überlegen.«
Er klingt gelassen und vernünftig.
»Glauben Sie wirklich?«
»Es ist ein allgemeingültiges Gesetz. Die Gewissheit von Angst und Schmerz ist die beste Garantie für Gehorsam.«
»Sie irren sich. Man wird die Suche nach mir niemals aufgeben.«
»Ein Tier mit einer Dienstmarke ist immer noch ein Tier. Schmerz und Angst verdrängen stets den Glauben. Man muss beides nur in
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