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Ausgeloescht

Ausgeloescht

Titel: Ausgeloescht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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grauenhaften Wirklichkeit, die dadurch erfasst wird. Ständig heißt es: »Falls ja, weiter bei Punkt soundso«, wie bei einem Pflanzenbestimmungsbuch. »Gab es Elemente ungewöhnlichen oder zusätzlichen Missbrauchs / Gewalteinwirkung / Folter beim Opfer? Ja / Nein / Unbekannt.« Wenn man »Ja« ankreuzt, folgt Frage 88b, eine Auflistung möglicher Misshandlungen: »Geben Sie an, welche Elemente auftraten (kreuzen Sie alle an und beschreiben Sie sie).« Dann folgt die Auflistung: »Schläge mit Händen / Fäusten / Gegenständen auf Schamgegend. Eindringen in Körperöffnungen / Wunden. Kannibalismus. Scheidendusche / Einlauf beim Opfer. Verbrennungen. Häutungen.« Mein persönlicher Favorit am Ende der unglaublich langen Liste von Abscheulichkeiten ist: »Andere.«
    Als ich das Formular zum ersten Mal las, habe ich mich gefragt, was das für Leute sind, die solche Aufstellungen machen können, als wäre es ein Einkaufszettel. Was müssen sie schon alles gesehen haben? Was müssen sie alles wissen, um eine vollständige Liste erstellen zu können? Anfangs habe ich mich noch gewundert, heute nicht mehr, denn ich könnte das meiste davon auswendig herunterrasseln, weil ich den Anblick inzwischen selbst kenne.
    Wenn das Formular ausgefüllt ist, schickt man es nach Quantico. Die Informationen werden in die Datenbank eingegeben und mit den vorhandenen Fällen verglichen.
    »Gib mir nur die rein sachlichen Informationen«, sagt Callie.
    Ich zwinge mich, alles so nüchtern und emotionslos zu schildern, wie es nur geht, damit Callie das Formular möglichst präzise ausfüllen kann. Ich gebe ihr keine vollständige Aufzählung, aber das ist im Augenblick auch nicht nötig.
    Dann sage ich Callie, wonach sie suchen soll - was noch kein Arzt bestätigt hat, wovon ich im Grunde aber überzeugt bin.
    Einen Moment ist sie still. »Bist du sicher?«, fragt sie dann.
    »Nein, aber ich würde mein Haus darauf wetten.«
    »Ich mache mich sofort an die Arbeit.«
     
    Douglas Hollister wirkt jetzt ruhiger als vorhin, als wir an seine Tür geklopft haben. Im Grunde überrascht es mich nicht. Das ist bei geständigen Tätern häufig so. Das Verbergen der Tat ist purer Stress. Jemand beschrieb es einmal als riesigen Druck, der sich aufbaut und nicht entweichen kann. Viele Täter sind erleichtert, wenn sie diesen Druck nicht mehr ertragen müssen. Nach meiner Erfahrung ist die häufigste Bitte nach dem Geständnis die, schlafen zu dürfen. Sie können sich endlich wieder entspannen.
    Hollister sitzt auf der Couch. Alan hat den Tisch so hingestellt, dass die Videokamera sein Gesicht erfasst. Alan sitzt neben ihm, Burns an seiner Seite, wie gehabt. Ich beschließe, stehen zu bleiben. Ich gehe lieber nicht zu nahe an Hollister heran, denn ich weiß nicht, ob ich mich beherrschen kann.
    Die Glasschiebetür, die in den Garten führt, lässt das strahlende Licht herein. Ich finde, dass es hier fehl am Platze ist, aber die Sonne scheint nun mal auf Sünder und Gerechte.
    »Könnte ich eine Zigarette haben?«, fragt Hollister. »Sie haben doch nichts dagegen? Dana wollte nie, dass ich hier rauche, aber das spielt jetzt wohl keine Rolle mehr.«
    »Es ist Ihr Haus, Sir«, sagt Alan sachlich, ohne kalt zu erscheinen. Das gehört zur Abmachung: Wer kooperiert, wird mit Respekt behandelt. Warum? Weil wir Pragmatiker sind. Wir wollen Verdächtige, die reden. Wenn sie verstockt sind, nützen sie uns nichts. Auch wenn wir sie persönlich am liebsten vierteilen möchten - solange sie vor der Kamera sitzen bleiben, zünden wir ihnen die Zigaretten an und bringen ihnen Mineralwasser.
    »Wo sind die Zigaretten, Sir?«, fragt Burns. Auch er ist höflich. Ich bin sicher, er würde den Kerl am liebsten erwürgen, aber er weiß, nach welcher Melodie wir tanzen.
    »In der Küche. In der Schublade links vom Herd.«
    Burns steht auf und kehrt kurz darauf mit einer Packung Marlboro Reds und einem grünen Feuerzeug zurück. Ich bekomme plötzlich Lust zu rauchen. Ich habe es vor fast vier Jahren aufgegeben, aber bei Stress kommt manchmal das alte Verlangen wieder hoch. Marlboro Reds war auch meine Marke. Ich beobachte, wie Hollister sich eine Zigarette anzündet, und mein Hass auf ihn lässt meinen Neid noch größer werden. Hollister inhaliert tief und schließt die Augen vor Wonne.
    Alan drückt die Aufnahmetaste.
    »FBI Special Agent Alan Washington beim Verhör mit Douglas Hollister in dessen Haus auf der ...« Er nennt Adresse, Datum und Uhrzeit, die übrigen

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