Ausgerechnet den?
Heulsuse?« Der Riss wurde immer länger.
»Ja! Hör auf! Hör auf und ich tu ‘s.«
Er ließ die Fotografie sinken. Mit tränenverschwommenem Blick sah sie, dass er einen etwa zwei Zentimeter langen Riss in das Foto gemacht hatte.
Seine Augen glitten an ihrem Körper entlang und saugten sich dann an jener mysteriösen Stelle zwischen ihren Schenkeln fest, wo seit einiger Zeit ein paar goldblonde Härchen zu wachsen begonnen hatten. »Los, beeil dich, bevor noch jemand kommt.«
Ihr wurde so schlecht, dass sie fürchtete, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Dennoch fummelte sie ungeschickt an ihrem Hosenknopf herum, der auf ihrer Hüfte saß. Mit brennenden Augen zog sie langsam den Reißverschluss herunter.
»Bitte, ich will das nicht«, flüsterte sie mit einer Stimme, die erstickt und wässrig klang, als würde sie ertrinken.
»Bitte gib mir das Foto.«
»Ich hab gesagt, du sollst dich beeilen.« Er schaute ihr überhaupt nicht ins Gesicht, nur auf jene Stelle zwischen ihren Schenkeln.
Mit wachsender Übelkeit zerrte sie mühsam die Shorts über ihr vorgewölbtes Bäuchlein und ihre dicken Schenkel, dann ließ sie sie fallen. Dort lagen sie in einem Häuflein wie eine schiefe Acht. Sie brannte vor Scham, als sie nun in ihrem blauen Baumwollunterhöschen mit den kleinen gelben Blümchen vor ihm stand.
»Gib’s mir jetzt«, flehte sie.
»Zuerst ziehst du die Unterhose runter.«
Sie versuchte, nicht zu denken. Sie versuchte, einfach die Unterhose runterzuziehen, damit sie das Bild von ihrer Mutter bekam, aber ihre Hände wollten ihr nicht gehorchen. Sie stand vor ihm, tränenüberströmt, die Shorts um die molligen Fußgelenke, und wusste auf einmal, dass sie es nicht tun konnte. Dass sie es nicht ertragen könnte, wenn er sie dort anschaute.
»Ich kann nicht«, flüsterte sie erstickt.
»Los, mach!« Seine kleinen Augen verengten sich zu wutentbrannten Schlitzen.
Schluchzend schüttelte sie den Kopf.
Seine dicken Lippen kräuselten sich zu einer hässlichen Fratze. Langsam riss er das unschätzbare Foto erst einmal, dann noch einmal durch. Vier Teile flatterten zu Boden. Ein schmutziger Turnschuh stampfte darauf herum, dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte zum Haus zurück.
Blindlings stolperte sie, die Shorts noch immer um die Fußgelenke, auf das zerrissene Foto zu. Sie fiel auf die Knie und da sah sie, wie zwei große, ein wenig schräg stehende Augen, genau wie die ihren, sie ansahen. Ein zittriges Keuchen entrang sich ihr, doch sie sagte sich, dass es nicht so schlimm war, dass sie die Teile glätten und wieder zusammenkleben konnte.
Mit heftig zitternden Fingern fügte sie die Teile wieder aneinander, so wie sie zusammengehörten, zuerst die oberen zwei, dann die unteren. Erst nachdem das Foto wieder ganz zusammengesetzt war, erkannte sie Reeds letzte Gemeinheit. Ein dicker schwarzer Schnurrbart war mit Tinte quer über die weiche Oberlippe ihrer Mutter gemalt.
Das war nun dreiundzwanzig Jahre her, aber Phoebe konnte noch immer den brennenden Schmerz von damals in ihrer Brust fühlen. Niedergeschlagen starrte sie in den dunklen Garten hinaus. Der ganze materielle Wohlstand, den sie als Kind genossen hatte, konnte sie nicht für all die Gemeinheiten ihres Vetters entschädigen, unter denen sie jahrelang gelitten hatte, ebenso wie unter der kalten Verachtung ihres Vaters.
Sie fühlte, wie ihr etwas um die Beine strich, und blickte nach unten. Pooh starrte mit bewundernden Pudelaugen zu ihr auf. Sie bückte sich, hob das Hündchen auf und ging mit Pooh zum Sofa, wo sie sich hinsetzte und ihr weiches Fell streichelte. Die alte Standuhr in der Ecke tickte laut. Als sie achtzehn Jahre alt gewesen war, hatte diese Uhr im Studierzimmer ihres Vaters getickt. Sie vergrub ihre lackrosa Fingernägel in Poohs weichem Fell und dachte an jene schreckliche Augustnacht, in der ihre Welt zusammenbrach.
Ihre Stiefmutter Lara war mit der zwei Monate alten Molly nach Cleveland geflogen, um dort ihre Mutter zu besuchen. Phoebe, die damals gerade achtzehn geworden war, war kurz nach Hause gekommen, um ihre Sachen für ihr erstes Jahr am College von Mount Holyoke zu packen.
Normalerweise wäre sie gar nicht zu der Mannschaftsfeier des Northwest Illinois State Footballteams eingeladen gewesen. Da die Party jedoch auf Berts Geheiß in seinem Haus stattfand, durfte sie teilnehmen. Zu der Zeit hatte Bert die Chicago Stars noch nicht erworben gehabt, und seine ganze Hingabe, die fast an Besessenheit
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